Bedarf ein Pflegebedürftiger aufgrund psychischer Erkrankungen mit massiven Verhaltensauffälligkeiten einer nächtlichen 1:1-Betreuung um Selbst- bzw. Fremdgefährdungen zu verhindern, kann dies eine vom Sozialhilfeträger neben den sonstigen Kosten der Pflege zusätzlich zu tragende „Hilfe für andere Verrichtungen“ gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 dritte Alternative SGB XII darstellen.
Im Versorgungsvertrag und im jeweiligen Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege werden Art, Inhalt und Umfang der Pflegeleistungen festgelegt. Deutlich über das normale übliche Maß hinausgehende ergänzende notwendige Maßnahmen sind von dieser Regelung nicht mitumfasst. Denn die im Rahmenvertrag geforderte Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten erfasst eine völlig außerhalb des Normalen stehende 1:1-Betreuung während der Nacht nicht. Eine Verpflichtung der Einrichtung, die hier notwendige nächtliche 1:1-Betreuung, aufgrund des Heimvertrages zu erbringen (unabhängig von der Frage der Kostendeckung) besteht nicht.
Die Sozialhilfeträger sind im Wege der Ausweitung des sozialhilferechtlichen Pflegebegriffs verpflichtet, auch diejenigen Leistungen bereitzustellen, die von der Pflegeversicherung infolge deren Einschränkung des Pflegebegriffs auf körperbezogene und hauswirtschaftliche Verrichtungshilfen (§ 14 Abs. 4 SGB XI) nicht gedeckt werden.
Zum erweiterten Pflegebegriff gehören z.B. allgemeine Anleitung und Beaufsichtigung, die Orientierung im häuslichen wie außerhäuslichen Bereich, die Strukturierung des Tagesablaufs mit seinen unterschiedlichen körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnissen, der Schutz vor Selbst- und Fremdgefährdung sowie die Herstellung von Beziehungen zur Umwelt, schließlich auch der Zeitaufwand, der zur Beruhigung eines Pflegebedürftigen gebraucht wird. Auch die Tages- oder Nachtbereitschaft bei nicht planbarem Pflegebedarf ist als Teil der „anderen Verrichtungen“ anzuerkennen.
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 8.7.2015, L 2 SO 1431/13