OGH (Österreich), Beschluss vom 19.03.2014, 7Ob32/14b

Die Einrichtungsleitung  beruft sich darauf, dass die Vorinstanzen von der ständigen Rechtsprechung abgewichen seien, wonach „unvermeidbare bewegungsdämpfende Nebenwirkungen“, die sich bei einer – in Verfolgung anderer therapeutischer Ziele durchgeführten – Medikamentenverabreichung ergeben, keine Freiheitsbeschränkung darstellen.

Die Gabe der Medikamente Risperdal, Dominal und Temesta sei „lege artis“ erfolgt, um einen akuten psychisch krankheitswertigen Zustand zu behandeln und könne daher „schon begrifflich“ keine Freiheitsbeschränkung im Sinn des HeimAufG sein. Da der Kranke an einem solchen Zustand gelitten habe, sei die Ansicht des Erst- und des Rekursgerichts, dass eine Freiheitsbeschränkung vorliege, weil die Medikamente nach den Feststellungen eine „gewünschte sedierende Wirkung“ gehabt hätten, die nicht eine bloße Nebenwirkung der Medikation gewesen sei, „unrichtig“. Eine Meldungsverpflichtung bezüglich dieser Medikation habe gar nicht bestanden und sei daher auch nicht verletzt worden.

Dem ist zu erwidern:

Es kann nicht entscheidend sein, ob eine Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit durch physische Zwangsmaßnahmen wie Einsperren oder Festbinden des Patienten oder durch pharmakologische Beeinflussung erfolgt, die eine massive Beschränkung der Bewegungsfreiheit bezweckt; haben doch auch stark sedierende Mittel zur Folge, dass der Patient nicht mehr in der Lage ist, sich nach seinem freien Willen örtlich zu verändern.

Eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel ist zu bejahen, wenn die Behandlung – wie hier – unmittelbar die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung anderer therapeutischer Ziele ergeben können.

Hier wurden die Medikamente  verabreicht, um eine („gewünschte“) sedierende Wirkung zu erzielen, weil es beim Kranken zur Ausbildung eines akuten Delirs gekommen war: Bei völliger Desorientierung (ungewohnte Umgebung) zeigte er ein schwerwiegend herausforderndes und aggressives Verhalten mit abwehrenden Bewegungen und einer damit einhergehenden Selbst- und Fremdgefährdung.

Wie in der Vorentscheidung  steht der therapeutische Zweck der Anwendung auch im vorliegenden Fall eindeutig fest.

Dies wird durch den Hinweis auf die Feststellung, wonach die Behandlung insoweit „lege artis“ erfolgt sei, bekräftigt. Da somit die eingetretene (zugestandene) Sedierung bezweckt war, hält sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass (auch hier) eine Freiheitsbeschränkung vorliegt, im Rahmen der Judikatur und begegnet keinen Bedenken.

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