Bei der Zwangsbehandlung eines Patienten bei Einweisung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder kommt Haftung ausschließlich nach Grundsätzen der Amtshaftung in Betracht.
Die Unterbringung ist staatliche Aufgabe (vergl. OLG München, Urteil vom 29.3.2012 – 1 U 4444/11). Dies gilt nicht nur für die Unterbringung nach öffentlichem Recht, sondern auch für eine zivilrechtliche Unterbringung nach§ 1906 BGB und selbst wenn die Unterbringung nicht zwangsweise, sondern im Einverständnis des Patienten erfolgt.
Für eine zwangsweise Fixierung von 16 Stunden und einer medikamentöse Verabreichung von Neuroleptika mit erheblichen Nebenwirkungen gegen den Willen des Betroffenen ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 5000,– € angemessen.
LG Berlin, Urteil vom 28.01.2015, 86 O 88 / 14
Die Parteien, also der Kläger als Patient einerseits und das Land Berlin andererseits streiten über Amtshaftungsansprüche wegen einer Fixierung und medikamentösen Behandlung während seiner zwangsweisen Unterbringung.
Am 11 .2 2009 fanden Polizeibeamte gegen 18:40 Uhr den Kläger vor dessen Wohnung.
Im Polizeibericht heißt es dazu:
„…war trotz der Kälte nur mit einem T-Shirt bekleidet Er gab unter anderem an, dass die „Gnome“ ihn überfallen und ihm den Schlüssel zu seiner Wohnung entwendet hätten. Jetzt würden diese seine Wohnung nicht mehr öffnen.
Sie brachten den Kläger in das Klinikum Spandau. wo er der Dienst habenden Assistenzärztin …vorgestellt wurde, die eine Eigengefährdung nicht ausschloss, das Medikament Tavor 2,5 mg und Solian 800 mg verordnete sowie die stationäre Aufnahme des Klägers anordnete.
Als der Betroffene in den Wartebereich begleitet wurde, um die angeforderten Pfleger zu erwarten, ging dieser unvermittelt auf andere wartende Patienten und die eingesetzten Beamten los und versuchte, diese zu schlagen und zu treten. Hierbei rief er wieder verwirrte Sätze wie: “Hier kommt Gas. Dr. Mangele ist wieder da, er ist der Junge Hitler etc.“
Den eingesetzten Kräften gelang es, den Betroffenen zu Boden zu bringen und ihn zu fixieren. Durch die Ärztin …wurde eine Fesselung auf einem Krankenbett angeordnet.
Hierbei leistete der Betroffene derart Widerstand, dass die eingesetzten Beamten und drei Personen des Pflegepersonals notwendig waren, ihn fachgerecht auf dem Krankenbett zu fixieren.“
Die Ärztin stellte Antrag auf Unterbringung für vier Wochen wegen einer akuten Psychose.
Mit Beschluss vom 12.2 2009 ordnete das Amtsgericht nach Anhörung die Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Einrichtung im Sinne von § 10 PsychKG für vier Wochen an.
Gegen den Beschluss legte der Kläger keine Beschwerde ein.
Im Pflegebericht des …-Klinikums ist am 11 2.2009 eine 4-Punkt-Fixierung mit Bauchgurt bei Verbringung des Klägers zur Station vermerkt sowie, dass eine Defixierung nicht habe stattfinden können.
Weiter ist vermerkt, dass der Kläger 10 mg Haldol intravenös erhalten habe, nachdem er eine orale Einnahme abgelehnt habe, wobei er unter andauernder starker Übelkeit und multiplen Krämpfen sowie Antriebs- und Konzentrationsmangel gelitten habe. Nach dem Pflegeberichten und der Verlaufskurve erhielt der Kläger u a. weiter Solian, Akineton in Kombination mit Solian und Zyprexa, was zu Nebenwirkungen wie ständiges Umherlaufen, Tetanie, Krampfhaltung der Hand- und der Unterarmmuskulatur, Konzentrationsmangel, Stoffwechselstörungen mit Entzugserscheinungen bis hin zur absoluten Appetitlosigkeit geführt habe.
Am 12.2.2009 wurde der Kläger nach 16 Stunden gegen 11:50 Uhr defixiert.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Fixierung sei ein schwerwiegender Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz, weil dem Fesselprotokoll keine Eintragungen zu entnehmen seien, wonach gemäߧ 29a PsychKG eine solche besondere Sicherungsmaßnahme befristet angeordnet worden sei, ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben gewesen sei, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung weggefallen seien.
Die mehrstündige Fixierung und Zwangsmedikation, die aus objektiver Sicht als grober Behandlungsfehler zu werten sei, sei amtspflichtwidrig erfolgt. Darüber hinaus rechtfertige § 29a PsychKG als infrage kommende Eingriffsnorm das ärztliche Vorgehen nicht. Die fehlende Befugnis, einen Untergebrachten gegen seinen erklärten Willen medikamentös zwangsweise zu behandeln, wodurch die Verabreichung von Psychopharmaka als rechtswidrige Körperverletzung zu werten sei, zumal die ärztliche Fürsorgepflicht schon in Anbetracht der Länge der Fixierungsdauer und mangels ausreichend durchgeführter ärztlicher Kontrolle gröblich vernachlässigt worden sei, sei gesetzeswidrig.
Die Bestimmungen des Gesetzes für psychisch Kranke vom 8.3.1985 würden auch nicht den Anforderungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinen richtungsweisenden Entscheidungen vom 23.3.2011 (2 BvR 882/09) und 15.4.2011 (2 BvR 882/09) zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug aufgestellt habe, genügen. Die Zwangsermächtigung nach den §§ 29a und 30 PsychKG würden nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere der Konkretisierung der Behandlung, ihrer Art, Dauer und Dosierung sowie den sonstigen Anforderungen formeller Art wie der rechtzeitigen Ankündigung, Kontrolle, Überwachung und unabhängiger Vorprüfung genügen. Aus dem gleichen Grunde könne als Rechtsgrundlage nicht die Vorschrift über die besonderen Sicherungsmaßnahmen und die Behandlung nach dem PsychKG herangezogen werden, die zudem in § 30 Abs. 2 PsychKG eine Behandlungsmaßnahme von der Zustimmung des Betreuers des Betroffenen abhängig machen würden. Ohne unaufschiebbare Maßnahmen sei nach § 30 Abs. 2 Satz 2 PsychKG die Behandlung nur erlaubt, wenn sie sich auf die Erkrankung beziehen würde, die zur Unterbringung geführt habe. Als solche seien die Maßnahmen jedoch nicht unaufschiebbar gewesen, sondern hätten in erster Linie der Ruhigstellung gedient, ohne dass zuvor eine akute Gefahrenlage entstanden sei. Gerade § 30 Abs. 3, 4 PsychKG sehe vor, dass angesichts der Nebenwirkungen der ihm verabreichten Medikamente und der nicht auszuschließende Spätfolgen und Veränderungen der Persönlichkeit eines Untergebrachten im Kernbereich, ärztliche Behandlungsverfahren nur mit rechtswirksamer Einwilligung des Untergebrachten oder dessen gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden könnten. Für beides hätten die Voraussetzungen nicht vorgelegen. Dass eine massive Selbst- und Fremdgefährdung bestanden habe, werde auch nicht durch den am 9.3.2009 erstellten Arztbrief belegt, da dort ein beginnendes medikamenteninduziertes Parkinsonoid aufgeführt sei, das die Umsetzung der Medikamentenbehandlung auf Olanzapin erforderlich gemacht habe. Ein dort erwähntes Einnahmeverhalten des Klägers sei die Folge der als alternativlos erscheinenden institutionellen Gewaltanwendung nach der Erfahrung der Zwangsfixierung gewesen. Seine Weigerung, sich behandeln zu lassen, habe sich durchgängig manifestiert. Von einer freiwilligen Einnahme könne unter dem Eindruck der freiheitseinschränkenden Maßnahmen, die angebotene Medikationen zu akzeptieren, nicht ausgegangen werden.
Auch der Beschluss des Amtsgerichts sei keine hinreichende Grundlage für eine Zwangsmedikation und Dauerfixierung.
Die vom Beklagten geäußerten Zweifel an seiner Prozessfähigkeit reichten nicht aus, um eine solche anzunehmen.
Der Beklagte sei in Anspruch zu nehmen, weil er dem …-Klinikum umfassende und dauerhafte Aufgaben übertragen habe.
Für die Schmerzensgeldbemessung sei zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß er den Beschränkungen und Vergabe der medizinischen Zwangsbehandlung unterworfen gewesen sei. Sie hatten bei ihm zu nachhaltigen und dauerhaften negativen körperlichen und psychischen Veränderungen geführt, die teilweise noch Jahre lang in einem psychosozialen Belastungssyndrom fortgewirkt hätten. Dies gelte in verstärktem Maß und besonders bei der Herstellung stabiler Kontakte sowie der Fähigkeiten im psychosozialen Bereich, Beziehung zu Menschen nur bedingt eingehen zu können. Als erschwerend sei die grob fahrlässige medikamentöse Einstellung zu betrachten. die zu einem Parkinsonoid mit Akathasie geführt habe. Letztlich stelle der Arztbrief den Verlauf lediglich dadurch als kompliziert dar, als kein ausreichender Kostenträger vorhanden gewesen sei und er sozusagen unter dieser Erkenntnis daraufhin „vorzeitig“ entlassen worden sei. Damit stehe die Frage der Angemessenheit und Notwendigkeit einer vornehmlich auf Kostenerwägung abzielenden Behandlungsmethode im Raum, die medizinisch nicht indiziert gewesen sei. Er ist der Ansicht, im stehe ein Schmerzensgeld von 7500 € zu. Weiter ist er der Ansicht, dass damit auch ein Feststellungsinteresse ausreichend dargelegt sei.
Der Kläger beantragt, Schmerzensgeld und festzustellen. dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm für alle gegenwärtigen und zukünftig noch aufgrund der Fehlbehandlung eintretenden materiellen und immateriellen Schäden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergehen, Ersatz zu leisten.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer Amtspflichtverletzung gegenüber dem Beklagten gemäߧ§ 839, 253 BGB in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz.
I.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten aufgrund einer Amtspflichtverletzung zu richten und nicht gegen das Krankenhaus.
Statt der Grundlagen des privaten medizinischen Vertrages und des allgemeinen Deliktsrechts gelten ausschließlich die Grundsätze der Amtshaftung, wenn Sich die Behandlung als Zwangsbehandlung darstellt, zum Beispiel bei Einweisung nach den Unterbringungsgesetzen der Länder (vergl. Urteil Oberlandesgericht des Landes Sachsen Anhalt vom 12.1.2010 – 1 U 77/09). Bei Zwangsbehandlung eines Patienten kommt nicht eine Haftung nach privatem Deliktsrecht, sondern ausschließlich nach Grundsätzen der Amtshaftung in Betracht (vergl. Urteil Landgericht Magdeburg vom 14.9.2011 – 9 U 1041/08). Die Behandlung des hiesigen Klägers erfolgte auf Grundlage einer gerichtlichen Anordnung der zwangsweisen Unterbringung im …-Klinikum nach§ 8 PsychKG des Landes Berlin.
Im Rahmen der Amtshaftung weist Art. 34 Grundgesetz bei öffentlich-rechtlichem Handeln die Haftung dem Staat oder der Körperschaft zu, in deren Dienst der handelnde Amtsträger steht. Folglich sind nur juristische Personen des öffentlichen Rechts passiv legitimiert.
Die Unterbringung ist staatliche Aufgabe (vergl. OLG München, Urteil vom 29.3.2012 – 1 U 4444/11).
Dies gilt nicht nur für die Unterbringung nach öffentlichem Recht, sondern auch für eine zivilrechtliche Unterbringung nach§ 1906 BGB und selbst wenn die Unterbringung nicht zwangsweise, sondern im Einverständnis des Patienten erfolgt.
Grundlage für Behandlungsfehler während der geschlossenen Unterbringung ist daher eine Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz, § 839 BGB, nicht eine privatrechtloche Grundlage. Dies gilt auch für eine Klinik, die eine anerkannte Einrichtung ist. Entscheidend ist, wer Träger der öffentlichen Gewalt ist und welcher Träger öffentlicher Gewalt den Ärzten die Behandlung anvertraut hat (vergl. Beschluss OLG Karlsruhe vom 19.7.2013 – 7 W 40/12). Das Land Berlin hat durch die Richterin am Amtsgericht die Einweisung des Klägers in das …-Klinikum gemäß § 8 PsychKG angeordnet. Das …-Klinikum ist eine Einrichtung im Sinne von § 10 PsychKG Danach erfolgt die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern, einer psychiatrischen Abteilungen in einem Krankenhaus oder in für psychisch Kranke geeignete Heime oder Teilen von solchen Helmen. Nach§ 10 Abs. 2 PsychKG bestimmt das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Senats die beteiligten Einrichtungen und beleiht sie mit hoheitlicher Gewalt. Die Einrichtungen unterliegen zudem der Fachaufsicht des zuständigen Bezirksamtes. Damit hat das Land als Träger öffentlicher Gewalt den Ärzten des Klinikums die Behandlung des Klägers anvertraut. Das …-Klinikum scheidet auch als beliehenes Unternehmen als Haftungsträger aus, weil es keine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.
Es könnte schon zweifelhaft sein, ob in den Vorschriften des PsychKG eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes genügende gesetzliche Grundlage für die vorgenommene Fixierung und Zwangsbehandlung gesehen werden kann, ob insbesondere diese Vorschriften die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23.3.2011 – 2 BvR 882/09 – im Falle einer vergleichbaren medizinische Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug an einen Eingriff in das Grundrecht aus Art 2 Abs. 2 Grundgesetz durch eine medizinische Zwangsbehandlung festgelegt hat, erfüllen.
Es befinden sich keine Regelungen im PsychKG des Landes Berlin, wonach weniger eingreifende Behandlungsmöglichkeiten zu prüfen sind und als aussichtslos festgestellt werden müssen. Es ist zudem nicht geregelt, dass zunächst die Zustimmung des Untergebrachten zu erreichen ist und wer mit welchem Zeitaufwand ohne Druck auszuüben eine solche Zustimmung erreichen soll. Es fehlt weiter eine Regelung dahingehend, dass eine mit Belastung verbundene Behandlung nicht außer Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen stehen darf. Des Weiteren fordert das Bundesverfassungsgericht, dass bei einer Behandlung eine hinreichend konkrete Ankündigung zu regeln ist, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, rechtzeitig Rechtsschutz zu suchen. Auch insoweit enthält das PsychKG des Landes Berlin keine Regelung, den Eingewiesenen zunächst über die beabsichtigte Behandlung und Medikamentenvergabe zu informieren.
Selbst wenn das PsychKG des Landes Berlin nicht als verfassungswidrig angesehen und damit als Grundlage für die Zwangsbehandlung herangezogen werden kann, lag ein amtspflichtwidriges Handeln der Ärzte vor. Die Fixierung des Klägers nach§ 29a des PsychKG ist nicht befristet angeordnet worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese besondere Sicherungsmaßnahme ärztlich überwacht wurde. Den eingereichten Pflegeprotokollen kann zwar entnommen werden, dass das Pflegepersonal in kurzen Zeitabständen nach dem fixierten Kläger geschaut hatte. Ob eine ärztliche Überwachung stattgefunden hatte, ergibt sich daraus nicht.
Die Behandlung mit Medikamenten, die mit einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit verbunden waren, hätten nach§ 30 Abs. 3 PsychKG zudem nur mit rechtswirksamer Einwilligung des Untergebrachten oder des gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden dürfen. Der Kläger hat vorgetragen, dass er nicht eingewilligt hat. Die Injektionen erfolgten unstreitig während seiner Fixierung, nachdem er nach dem Pflegebericht eine orale Einnahme abgelehnt hat
Der Kläger persönlich gab in der mündlichen Verhandlung an, dass im Falle der Weigerung der oralen Einnahme der Medikamente auf eine erneute Fixierung und zwangsweise Vergabe hingewiesen worden sei. ….
Eine Einwilligung des Klägers kann den Pflegeberichten nicht entnommen werden.
Der Kläger hat hinreichend vorgetragen, dass die Behandlung mit Gesundheitsgefahren verbunden war. Er hat Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente beschrieben. So hat er angegeben, dass er unter starker Übelkeit, multiplen Krämpfen, Antriebs- und Konzentrationsmängeln litt und weiter die Vergabe von Medikamenten zu ständigem Umherlaufen, Krampfhaltung der Hand und Unterarmmuskulatur, Konzentrationsmängel, Stoffwechselstörungen mit Entzugserscheinungen bis hin zur absoluten Appetitlosigkeit geführt habe. Solche Wirkungen auf den Kläger ergeben sich auch aus den Aufzeichnungen des Pflegepersonals und sind nicht unüblich. So führte auch das Bundesverfassungsgericht aus, dass bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliege.
Die Gabe von Neuroleptika gegen den natürlichen Willen eines Patienten stellt einen besonders schweren Grundrechtseingriff auch im Hinblick auf die Wirkung dieser Medikamente dar. Dies gilt schon im Hinblick auf die nicht auszuschließenden lebensbedrohlichen Nebenwirkungen und die teilweise erhebliche Streuung in den Ergebnissen der Studie zur Häufigkeit des Auftretens erheblicher Nebenwirkungen. Psychopharmaka sind zudem auf die Veränderung seelischer Ablaufe gerichtet. Ihre Verabreichung gegen die natürlichen Willen des Betroffenen berührt daher, unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird, in besonderem Maße den Kern der Persönlichkeit. Auch insoweit hätte auch nach der Regelung im PsychKG des Landes Berlin eine Einwilligung des Betroffenen bzw. eines zu bestellenden Vertreters erreicht werden müssen.
Die nicht erfolgte Einhaltung der Anforderung des § 30 Abs. 2 PsychKG erfolgte auch schuldhaft, weil die behandelnden Ärzte diese Rechtskenntnis haben müssen. Jeder Amtsträger muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechtskenntnisse haben oder sich verschaffen (vergl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2000 – 1 U 32/00; BGH, Urteil vom 5.7.1990 – IX ZR 10/90). Dazu kommt, dass die Arzte die Gefährlichkeit der Vergabe der Psychopharmaka kannten, wie aus der von der Klinik selbst angeführten Feststellung des Body-Mass-lndex zur genauen Dosierung und Überwachung der Werte zu entnehmen ist.
Dem Kläger steht unter Berücksichtigung aller maßgeblicher Umstände, insbesondere der Fixierung von 16 Stunden und einer medikamentöse Verabreichung von Neuroleptika mit den vom Kläger vorgetragenen erheblichen Nebenwirkungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 5000,– € zu. Das Gericht erachtet diesen Betrag auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen für angemessen und ausreichend. So hat das OLG Stuttgart für einen Freiheitsentzug 1500 € und für einen weiteren Freiheitsentzug für einen Tag verbunden mit Zwangsmedikation 2500 € zugesprochen, wobei es keine Nebenwirkungen durch Neuroleptika gab.
Hier ist zu berücksichtigen, dass es eine Fixierung von 16 Stunden, weniger als einen Tag, gab, dafür aber durch die medikamentöse Verabreichung von Neuroleptika erhebliche Nebenwirkungen auftraten, so dass ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen ist, zumal die Nebenwirkungen über die bloße Beeinträchtigung durch eine Fixierung wesentlich längere Auswirkungen haben. Das OLG Oldenburg hat am 20.5.1988 für eine einwöchige Zwangseinweisung in die geschlossene Abteilung eines Landeskrankenhauses infolge eines unzutreffenden ärztlichen Gutachtens eine Entschädigung von umgerechnet 2500 € zugesprochen – 6 U 28/88. Das OLG Stuttgart hielt ein Schmerzensgeld von umgerechnet 6000 € für angemessen für ein nahezu vierwöchiges Festhalten des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus gegen seinen Willen und entgegen den eindeutigen gesetzlichen Regelungen – 14 U 10/90. Dort ist der Freiheitsentzug durch die Fixierung über einen langen Zeitraum erfolgt. Dafür wiegen im Falle des hiesigen Klägers die Nebenwirkungen der Medikamente – unstreitig wurde ein Präparat wegen der erheblichen Nebenwirkungen ausgetauscht – umso schwerer. Daher ist ein bis an diesen Betrag heranreichendes Schmerzensgeld angebracht, das jedoch nach Einschätzung der Kammer im Hinblick auf den langen Freiheitsentzug im Fall des OLG Stuttgart unterhalb des dort zugesprochenen Betrages bleibt.