LG Aachen, Urteil vom 01.09.2011, Az.: 12 O 488/10

LG Aachen: Grenzen der Aufsichtspflicht bei Verlassen des Pflegeheims

Die demente gangsichere Bewohnerin hatte die Einrichtung allein und eigenständig verlassen und war außerhalb des Hauses gestürzt. Die  Bewohnerin zeigte bereits in der Vergangenheit eine starke Weglauftendenz.  Auch bei größtmöglicher Sorgfalt könne niemals sicher ausgeschlossen werden, dass Bewohner sich der Kontrolle durch das Personal entzögen, zumal freiheitsentziehende Maßnahmen ohne richterliche Anordnung unzulässig sind. Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung könne von dem Beklagten nicht verlangt werden. Der Umfang der Aufsichtspflicht hängt von der zu betreuenden Person, ihrem Gesundheitszustand und ihrem Hilfebedarf ab. Einer uneingeschränkten Beaufsichtigung und damit Verkehrssicherungspflicht kann dies aber nicht gleichgesetzt werden. Es müsse vielmehr darauf abgestellt werden, was für eine stationäre Einrichtung in einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand zu realisieren sei.

Urteil des LG Aachen vom 01.09.2011, Az.: 12 O 488/10

In dem vorliegenden Fall hatte die Krankenversicherung einer Bewohnerin gegen den Träger des Pflegeheims, in dem die Bewohnerin wohnte, auf Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geklagt. Die versicherte, an Demenz leidende Bewohnerin hatte die Einrichtung allein und eigenständig verlassen und war außerhalb des Hauses gestürzt. Die aus der Heilbehandlung hervorgegangenen Kosten macht die Klägerin nun geltend. Die gangsichere Bewohnerin zeigte bereits in der Vergangenheit eine starke Weglauftendenz und wurde wiederholt von dem Personal des Beklagten an einem Verlassen des offenen Hauses gehindert. Daher begründete die Klägerin ihre Forderung damit, dass Personal des Beklagten habe keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, die Bewohnerin an einem Verlassen zu hindern.

Das Landgericht Aachen hat die Klage der Krankenkasse abgewiesen. Zwar obliege einer Einrichtung eine Obhutspflicht gegenüber den Bewohnern, diese vor drohenden Schäden zu schützen. Diese finde aber ihre Grenzen in dem Respekt der Selbständigkeit und Selbstbestimmung der zu betreuenden Person. Nach der Auffassung des erkennenden Gerichts hat eine stationäre Einrichtung mögliche Schadenursachen wie beispielsweise Krankheiten oder körperliche und geistige Einschränkungen, bedingt durch die eigene Person oder die Einrichtung zu vermeiden. Ebenso Schäden durch bauliche Besonderheiten oder die Pflege. Der Umfang der Aufsichtspflicht hänge dabei von der zu betreuenden Person, ihrem Gesundheitszustand und ihrem Hilfebedarf ab. Einer uneingeschränkten Beaufsichtigung und damit Verkehrssicherungspflicht könne dies aber nicht gleichgesetzt werden. Es müsse vielmehr darauf abgestellt werden, was für eine stationäre Einrichtung in einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand zu realisieren sei. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine offene Einrichtung. Auch bei größtmöglicher Sorgfalt könne niemals sicher ausgeschlossen werden, dass Bewohner sich der Kontrolle durch das Personal entzögen, zumal freiheitsentziehende Maßnahmen ohne richterliche Anordnung unzulässig sind. Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung könne von dem Beklagten nicht verlangt werden. Auch in dem besonderen Fall der Bewohnerin treffe die Einrichtung keine besondere Schuld, da diese als gangsicher galt und keine besonderen Vorkehrungen gegen Stürze zu treffen gewesen seien. Der Sturz, aus dem die Schadensersatzforderung resultiert, sei dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Die Weglauftendenz alleine habe diesen nicht hervorgerufen.

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