BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, 2 BvR 882 / 09

1. Der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG, der in der medizinischen Behandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten gegen dessen natürlichen Willen liegt, kann auch zur Erreichung des Vollzugsziels gerechtfertigt sein.
2. Eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels ist nur zulässig, wenn der Untergebrachte krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist. Maßnahmen der Zwangsbehandlung dürfen nur als letztes Mittel und nur dann eingesetzt werden, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen und für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden sind, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen. Zum Schutz der Grundrechte des Untergebrachten sind besondere verfahrensmäßige Sicherungen geboten.
3. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung bedürfen klarer und bestimmter gesetzlicher Regelung. Dies gilt auch für die Anforderungen an das Verfahren.

 

BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, 2 BvR 882 / 09

 

I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz2 Halbsatz 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über den Vollzugfreiheitsentziehender Maßregeln (Maßregelvollzugsgesetz – MVollzG).

§ 6 MVollzG Rh.-Pf. lautet wie folgt:

§ 6 Zulässigkeit von Maßnahmen
(1) Operative Eingriffe, Behandlungen und Untersuchungen,die mit einem wesentlichen gesundheitlichen Risiko oder einer Gefahr für dasLeben des untergebrachten Patienten verbunden sind, sind nur mit seiner Einwilligung zulässig; sonstige operative Eingriffe, Behandlungen und Untersuchungen sind ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten zulässig
bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des untergebrachten Patienten oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen.
Im übrigen können Behandlungen und Untersuchungen zur Erreichung des Vollzugsziels ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten durchgeführt werden; zum allgemeinen Gesundheitsschutz oder zur Hygiene sind sie zulässig, wenn sie nicht mit einem Eingriff verbunden sind.
(2) Eine zwangsweise Ernährung des untergebrachten Patienten ist zulässig, wenn und solange Lebensgefahr oder eine schwerwiegende Gefahr für seine Gesundheit besteht, er ohne Bewußtsein ist, er aus anderen Gründen zur natürlichen Nahrungsaufnahme nicht in der Lage ist und keinen körperlichen Widerstand leistet oder er seinen Willen infolge Krankheit nicht frei bestimmen
kann. Der untergebrachte Patient, der die Nahrungsaufnahme verweigert, ist über die Gefahren und Folgen seines Verhaltens zu belehren.
(3) Zur zwangsweisen Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ist die Einrichtung nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des untergebrachten Patienten ausgegangen werden kann; dies gilt nicht bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen.
(4) Ist der untergebrachte Patient nicht in der Lage, Grund, Bedeutung und Tragweite der Maßnahmen einzusehen oder seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen, so ist die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters maßgebend. Besitzt der untergebrachte Patient zwar die in Satz 1 genannten Fähigkeiten, ist er aber in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist neben seiner Einwilligung die seines gesetzlichen Vertreters erforderlich.
(5) Die Maßnahmen müssen für den untergebrachten Patienten zumutbar sein und dürfen nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg stehen. Sie dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden. Die Leistung Erster Hilfe bleibt hiervon unberührt; der
gesetzliche Vertreter des untergebrachten Patienten ist über den Vorfall, der die Leistung Erster Hilfe erforderlich machte, zu unterrichten.
(6) Über eine gegen den Willen des untergebrachten Patienten durchgeführte Maßnahme sind die Aufsichtsbehörde und ein von der obersten
Aufsichtsbehörde zu bestimmender Arzt sowie der gesetzliche Vertreter desuntergebrachten Patienten zu unterrichten.
II. 1. Der Beschwerdeführer ist aufgrund Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) seit dem 16. Dezember 1999 im Pfalzklinikum Klingenmünster im Maßregelvollzug untergebracht. Er hatte aufgrund einer wahnhaften Störung im Zustand der Schuldunfähigkeit mit einer Weinflasche auf seine schlafende Ehefrau eingeschlagen und versucht, diese zu ersticken. Danach hatte er mit einer weiteren Weinflasche auf seine im Bett liegende Tochter eingeschlagen. Von Ende Dezember 1999 bis Ende Februar 2000 wurde der Beschwerdeführer mit einem atypischen Neuroleptikum behandelt. Die weitere Behandlung verweigerte der Beschwerdeführer wegen der Nebenwirkungen. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung stellte die externe
Sachverständige Prof. Dr. N. im Jahre 2005 fest, dass die für die Anlasstat ursächliche paranoide Psychose fortbestehe. Die einzige Chance, den psychischen Zustand zu verbessern, liege in einer medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika. Von Februar bis Ende November 2006 stand der Beschwerdeführer unter Betreuung für den Bereich der Gesundheitsfürsorge. Eine vom damaligen Betreuer beantragte und vom Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung für die Behandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika hob das Landgericht auf mit der Begründung, die Behandlung sei, da keine Gefahr eines schweren und länger dauernden Schadens mit ihr verbunden sei, nicht gemäß § 1904 BGB genehmigungsbedürftig. Das Vormundschaftsgericht lehnte mit entsprechender Begründung die Erteilung der Genehmigung ab.

2. Mit angegriffenem Schreiben vom 28. September 2006 kündigte daraufhin die Klinik dem Beschwerdeführer die Behandlung „mit einem geeigneten Neuroleptikum, das eventuell auch gegen Ihren Willen intramuskulär gespritzt wird“, an. Während der Verabreichung müssten in regelmäßigen Abständen Blutentnahmen durchgeführt werden, da die Medikamente unter Umständen zu Blutbildveränderungen führen oder auch den Stoffwechsel der Leber beeinträchtigen könnten. In der Verabreichung von Medikamenten bestehe die einzige Möglichkeit, die wahnhaften Überzeugungen des Beschwerdeführers zu korrigieren. Nach § 6 Abs. 1 MVollzG Rh.-Pf. könnten Behandlungen und Untersuchungen zur Erreichung des Vollzugsziels ohne Einwilligung des
untergebrachten Patienten durchgeführt werden. Dem Beschwerdeführer stehe es frei, gegen die angekündigten Maßnahmen Beschwerde bei dern Strafvollstreckungskammer einzulegen.
Der Beschwerdeführer legte „Beschwerde“ einnund beantragte eine externe fachärztliche Begutachtung.
Die Klinik wies in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2006 darauf hin, dass die frühere Behandlungsdauer mit dem Medikament Zyprexa zu kurz gewesen sei, um eine wesentliche Besserung der Symptomatik zu erreichen. Eine Mindestbehandlungsdauer von sechs Monaten sei erforderlich. Bei dem Beschwerdeführer bestehe keine Krankheitseinsicht; er halte in unkorrigierbarer Weise an seinen paranoiden Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen fest. Den Sinn der Behandlung vermöge er deshalb nicht einzusehen. Er fürchte vielmehr, dass seine Fähigkeit, sich gegen schädliche Substanzen zur Wehr zu setzen, durch die Medikamente beeinträchtigt werde. Ohne medikamentöse Therapie würde die Unterbringung auf eine reine Verwahrung hinauslaufen und zu einer Verfestigung der Störung führen. Zu diesem Schluss komme auch die Sachverständige Prof. Dr. N. Als Erfolg könne schon gewertet werden, wenn eine Teilkorrektur und Entdynamisierung der Problematik erreicht werden könne. Die vom Beschwerdeführer befürchteten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Müdigkeit könnten durch eine fachgerechte Behandlung sehr gering gehalten werden.
Das Landgericht legte die Beschwerde als Antrag gemäß § 138 Abs. 3, § 109 Abs. 1 StVollzG aus und wies mit angegriffenem Beschluss vom 16. Oktober 2008 den Antrag mit der Maßgabe zurück, dass eine zwangsweise medikamentöse Therapie mittels atypischer Neuroleptika für einen Zeitraum von sechs Monaten zulässig sei. Die Zwangsbehandlung eines nach § 63 StGB Untergebrachten stelle einen massiven Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Ihre Zulässigkeit richte sich nach § 6 MVollzG Rh.-Pf.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Zwangsbehandlung stelle das letztmögliche Mittel dar. Die zu erwartenden Nebenwirkungen seien vergleichsweise gering. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei eine Besserung der Anlasserkrankung zu erwarten. Die Behandlung sei aber nach den ärztlichen Darlegungen nur für eine Dauer von sechs Monaten gerechtfertigt; danach müsse gegebenenfalls ein externer Sachverständiger hinzugezogen werden. In jedem Fall bedürfe die neue Entschließung über die Erforderlichkeit der Fortführung der Zwangsmedikation der Dokumentation sowie der Bekanntgabe an denUntergebrachten.
4. a) Mit der Rechtsbeschwerde (§§ 116 ff. StVollzG) rügte der Beschwerdeführer erneut, § 6 MVollzG Rh.-Pf. erlaube die angekündigte Behandlung nicht. Dieser fehle die notwendige Rechtsgrundlage.

b) Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 18. März 2009 die Rechtsbeschwerde als unbegründet. Die rechtlichen Grundlagen der Zwangsbehandlung seien von der Strafvollstreckungskammer zutreffend dargelegt worden.

III. Mit der Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie gegen die Ankündigung der Zwangsmedikation seitens der Klinik richtet, rügt der Beschwerdeführer, seine Rechte aus Art. 2 Abs. 2, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK sowie sein Recht auf ein faires Verfahren seien verletzt.
Schon die Androhung der Zwangsmedikation stelle einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Für den Eingriff fehle es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage. § 6 MVollzG Rh.-Pf. erlaube die Zwangsmedikation bei schweren physischen und psychischen Eingriffen nur mit Einwilligung des Betroffenen. Seine Fähigkeit, die gesundheitlichen Auswirkungen der Behandlung selbst abzuschätzen, werde dadurch verdeutlicht, dass er nicht unter Betreuung stehe. Kranke dürften nicht gezwungen werden, gesund zu werden. Art. 2 Abs. 1 GG
schütze auch vorsätzliche Selbstschädigungen. Der Beschwerdeführer werde unter Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG zum Objekt gemacht.

B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit der Beschwerdeführer die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts angreift.
Im Übrigen ist sie unzulässig.

Die Beschlüsse, mit denen Landgericht und Oberlandesgericht die angekündigte Zwangsbehandlung als rechtmäßig bestätigt haben, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Für die angekündigte Zwangsbehandlung fehlt bereits die erforderliche, den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende gesetzliche Grundlage. Die medizinische Zwangsbehandlung eines Untergebrachten greift in schwerwiegender Weise in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein (I.). Zwar kann ein solcher Eingriff, auch zur Erreichung des Vollzugsziels, im Einzelfall gerechtfertigt sein. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben sich jedoch strenge Anforderungen an die Zulässigkeit des Eingriffs. Dies betrifft sowohl die materiellen Eingriffsvoraussetzungen als auch deren Sicherung durch verfahrensrechtlichen Vorkehrungen. Die Eingriffsvoraussetzungen müssen in hinreichend klarer und bestimmter Weise gesetzlich geregelt sein (II.). Diesen Anforderungen genügt die Eingriffsermächtigung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MVollzG Rh.-Pf. nicht (III.).

I. 1. Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung) greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses Grundrecht schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht. Zu seinem traditionellen Gehalt gehört der Schutz gegen staatliche Zwangsbehandlung (vgl. BVerfGE 79, 174 [201]).
2. Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung steht nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen wird. Eine schädigende Zielrichtung ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (vgl. BVerfGE 89, 120 [130]; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. März 1997 – 1 BvR 1071/ 95 -,
NJW 1997, S. 3085). Die Eingriffsqualität entfällt auch nicht bereits dann, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt. Das bloße Aufgeben einer bestimmten Form des Protests kann nicht ohne Weiteres als Zustimmung gedeutet werden. Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten, die ihrer Art nach das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt, greift in dieses Grundrecht allenfalls dann nicht ein, wenn sie von der frei, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen Aufklärung, erteilten Einwilligung des Untergebrachten gedeckt ist. Dies setzt voraus, dass der Untergebrachte einwilligungsfähig ist (vgl. BGHZ 29, 46 [51]; 154, 205 [210]) und keinem unzulässigen Druck ausgesetzt wurde, etwa durch das Inaussichtstellen von Nachteilen im Falle der Behandlungsverweigerung, die sich nicht als notwendige Konsequenzen aus dem Zustand ergeben, in dem der Betroffene unbehandelt voraussichtlich verbleiben oder in den er aufgrund seiner Weigerung voraussichtlich geraten wird.
Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändert ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berührt, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstellt. Sie kann im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt wird, und daher das Gewicht des Eingriffs noch erhöhen (dazu unter 3.). Fehlende Einsichtsfähigkeit lässt den Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG nicht von vornherein entfallen (vgl. BVerfGE 58, 208 [224 ff.]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. August 2001 – 1 BvR 618/ 93 -, NJW 2002, S. 206 [206 f.]; für die Freiheit der Person grundlegend BVerfGE 10,
302 [309]). Auf die Frage, ob für andere Grundrechte etwas anderes gilt (vgl. zur Testierfreiheit BVerfGE 99, 341 [351]), kommt es hier nicht an. Selbst die Einwilligung des für einen einsichts- und einwilligungsunfähigen Untergebrachten bestellten Betreuers nimmt daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter, der darin liegt, dass sie gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erfolgt (vgl. für den Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person durch Unterbringung BVerfGE 10, 302 [309 ff.]; für den in der medizinischen Zwangsbehandlung des Untergebrachten liegenden Eingriff Popp, Zwangsbehandlung von psychisch Kranken im Betreuungsrecht, 2003, S. 75 ff.; Tietze, Ambulante Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht, 2005, S. 56 ff., v. Storch, Der „fürsorgliche“ Entzug von Grundrechten, 2006, S. 30 ff., jeweils m. w. N.).

3. Bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff. Die materiellen Freiheitsgarantien des Art. 2 Abs. 2 GG – darunter das Recht auf körperliche Unversehrtheit – haben unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfGE 65, 317
[322]). Medizinische Zwangsbehandlungen von Untergebrachten, und hier insbesondere operative Eingriffe und Zwangsmedikationen, stellen zudem eine besonders schwerwiegende Form des Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar (vgl. Wagner, in: Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 3. Aufl. 2010, Rn. D 146; Lesting, in: Marschner/ Volckart/ Lesting,m Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl. 2010, Rn. B 208; Marschner, R & P 2005, S. 47 [49]; aus psychiatrischer Sicht Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften [im Folgenden: SAMW], Zwangsmaßnahmen in der Medizin, Medizinisch-ethische Richtlinien der SAMW, 2005, S. 7; Dreßing/ Salize, Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker, 2004, S. 30; Hell, in: Rössler/ Hoff, Psychiatrie zwischen Autonomie und Zwang, 2005, S. 89 [94]; für den Fall der Durchsetzung mittels unmittelbaren Zwangs s. etwa die
Schilderungen bei Schaub-Römer, Zwang in der Psychiatrie, 1997, S. 24 f.; Termeer, in: Kebbel/ Pörksen, Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie, 1998, S. 82 f.). Der Betroffene wird genötigt, eine Maßnahme zu dulden, die den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt (vgl. RGSt 25, 375 [377 f.]; 38, 34 [34 f.]; BGHSt 11, 111 [112]; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 – 1 StR 576/ 07 -, NStZ 2008, S. 278 [279]) und daher normalerweise nur mit der – in strafrechtlicher Hinsicht rechtfertigenden – Einwilligung des Betroffenen zulässig ist. Der in einer medizinischen Zwangsbehandlung liegende Eingriff berührt nicht nur die körperliche Integrität des Betroffenen als solche, sondern in besonders intensiver Weise auch das von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützte Recht auf diesbezügliche Selbstbestimmung. Ein von anderen Menschen gezielt vorgenommener Eingriff in die körperliche Integrität wird als umso bedrohlicher erlebt werden, je mehr der Betroffene sich dem Geschehen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sieht. Hinzu kommt, dass der Eingriff in der Unterbringung häufig Menschen treffen wird, die aufgrund ihrer psychischen Verfassung den Schrecken der Zwangsinvasion in ihre körperliche Integrität und der Beiseitesetzung ihres Willens sowie die Angst davor besonders intensiv
empfinden. Für die grundrechtliche Beurteilung der Schwere eines Eingriffs ist auch das subjektive Empfinden von Bedeutung (vgl. BVerfGE 89, 315 [324]). Die Gabe von Neuroleptika gegen den natürlichen Willen des Patienten schließlich stellt – unabhängig davon, ob nach fachgerichtlicher Einschätzung der Eingriff die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 MVollzG Rh.-Pf. statuierten Voraussetzungen der Einwilligungsbedürftigkeit erfüllt oder im betreuungsrechtlichen Zusammenhang die Voraussetzungen der Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllen würde – einen besonders schweren Grundrechtseingriff auch im Hinblick auf die Wirkungen dieser Medikamente dar. Dies gilt schon im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit schwerer, irreversibler und lebensbedrohlicher Nebenwirkungen und die teilweise erhebliche Streuung in den Ergebnissen der Studien zur Häufigkeit des Auftretens erheblicher Nebenwirkungen. Psychopharmaka sind zudem auf die Veränderung seelischer Abläufe gerichtet. Ihre Verabreichung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen berührt daher, auch unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird, in besonderem Maße den Kern der Persönlichkeit.

II. 1. Ungeachtet der Schwere des Eingriffs, der in der Zwangsbehandlung eines Untergebrachten liegt, ist es dem Gesetzgeber nicht prinzipiell verwehrt, solche Eingriffe zuzulassen. Dies gilt auch für eine Behandlung, die der Erreichung des Vollzugsziels (§ 136 StVollzG, § 1 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf.) dient, also darauf gerichtet ist, den Untergebrachten entlassungsfähig zu machen.
a) Als rechtfertigender Belang kommt insoweit allerdings nicht der gebotene Schutz Dritter vor den Straftaten in Betracht, die der Untergebrachte im Fall seiner Entlassung begehen könnte. Dieser Schutz kann auch dadurch gewährleistet werden, dass der Untergebrachte unbehandelt im Maßregelvollzug verbleibt. Er rechtfertigt daher keinen Behandlungszwang gegenüber einem Untergebrachten, denn dessen Weigerung, sich behandeln zu lassen, ist nicht der Sicherheit der Allgemeinheit vor schweren Straftaten, sondern seiner Entlassungsperspektive abträglich.
b) Zur Rechtfertigung des Eingriffs kann aber das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) geeignet sein, sofern der Untergebrachte zur Wahrnehmung dieses Interesses infolge krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit nicht in der Lage ist.
aa) Die Freiheitsgrundrechte schließen das Recht ein, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der – jedenfalls in den Augen Dritter – den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Daher ist es grundsätzlich Sache des Einzelnen, darüber zu entscheiden, ob er sich therapeutischen oder sonstigen Maßnahmen unterziehen will, die ausschließlich seiner „Besserung“ dienen (vgl. BVerfGE 22, 180 [219 f.]). Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt auch die „Freiheit zur Krankheit“ und damit das Recht ein, auf Heilung zielende Eingriffe
abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend´angezeigt sind (vgl. BVerfGE 58, 208 [226]; 30, 47 [53]; 22, 180 [219]).
bb) Das Gewicht, das dem eingeschränkten Grundrecht in derAbwägung mit denjenigen grundrechtlichen Belangen zukommt, die durch den Eingriff in dieses Recht gewahrt werden sollen, kann jedoch nicht vollkommen losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Grundrechtsträgers zu freier Willensentschließung bestimmt werden (vgl. BVerfGE 58, 208 [225]). Der Gesetzgeber ist daher berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat angenommen, dass unter dieser Voraussetzung der schwerwiegende Grundrechtseingriff, der in einer Freiheitsentziehung liegt, zum Schutz des Betroffenen selbst gerechtfertigt sein kann, und die nach Landesunterbringungsrecht für einen solchen Fall vorgesehene Möglichkeit fürsorgerischer Unterbringung zum Zweck der Behandlung gebilligt (vgl. BVerfGE 58, 208 [224 ff.]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 – 2 BvR 2270/ 96, NJW 1998, S. 1774 [1775]). Für den Eingriff, der in der medizinischen Behandlung eines Untergebrachten gegen dessen natürlichen Willen liegt, gilt nichts grundsätzlich Anderes. Demgemäß erachtet die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Maßnahmen der Zwangsbehandlung Untergebrachter – auch solche, die auf deren Entlassungsfähigkeit gerichtet sind – nicht für generell unzulässig (vgl. BGHZ 145, 297 [305]; KG, Beschluss vom 29. August 2007 – 2 Ws 66/ 07 Vollz -, R & P 2008, S. 39 [40 ff.]; BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2002 – 3Z BR 172/ 02 -, R & P 2004, S. 33; LG Heidelberg, Beschluss vom 20. April 2004 – 7 StVK 79/ 04 -, juris; Bernsmann, in: Blau/ Kammeier, Straftäter in der Psychiatrie, 1984, S. 159; Heide, Medizinische Zwangsbehandlung, 2001, S. 235 f.; v. Storch, a. a. O., S. 39 ff. [42]; Volckart/ Grünebaum, Maßregelvollzug, 7. Aufl. 2009, Rn. 362, 365; Rüping, JZ 1982, S. 744 [746 f.]; Rinke, NStZ 1988, S. 10 [12]; Marschner, R & P 1990, S. 66 [70]; a. A. Wagner, in: Kammeier, a. a. O., Rn. D 150; Narr/ Saschenbrecker, FamRZ 2006, S. 1079 [1083]).
Ist ein Untergebrachter krankheitsbedingt nicht zur Einsicht in die Krankheit fähig, deretwegen seine Unterbringung notwendig ist, oder kann er krankheitsbedingt die nur mit einer Behandlung gegebene Chance der Heilung nicht erkennen oder nicht ergreifen, so ist der Staat nicht durch einen prinzipiellen Vorrang der krankheitsbedingten Willensäußerung verpflichtet, ihn dem Schicksal dauerhafter Freiheitsentziehung zu überlassen. Ein Eingriff, der darauf zielt, die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung des Untergebrachten wiederherzustellen, kann unter diesen Umständen zulässig sein (vgl. BVerfGE 58, 208 [225]; s. auch BVerwGE 82, 45 [49]; Murswiek, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 2 Rn. 209; Wiedemann, in: Umbach/ Clemens, GG, 2002, Art. 2 Abs. 2, Rn. 329 m. Fn. 167; Wagner, Selbstmord und Selbstmordverhinderung, 1975, S. 134; Seewald, Das Verfassungsrecht auf Gesundheit, 1981, S. 214 ff.; Michale, Recht und Pflicht zur Zwangsernährung bei Nahrungsverweigerungen in Justizvollzugsanstalten, 1983, S. 163 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 220 ff. [221 f.]; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 121 f.; Dröge, Die Zwangsbetreuung, 1997, S. 198 f., 207 f.; Heide, a. a. O., S. 217 ff.; v. Storch, a. a. O., S. 39 ff. [42], m. w. N.). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit hindert den Betroffenen, seine grundrechtlichen Belange insoweit wahrzunehmen, als es um die Wiedererlangung der Freiheit geht. Weil der Betroffene insoweit hilfsbedürftig ist (vgl. BVerfGE 58, 208 [225]), darf der Staat – nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – in diejenigen Grundrechte eingreifen, die der Betroffene allein krankheitsbedingt übergewichtet.
cc) Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), die in Deutschland Gesetzeskraft hat (Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21.Dezember 2008, BGBl II S. 1419) und als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden kann (vgl. BVerfGE 111, 307 [317 f.]), legt kein anderes Ergebnis nahe (vgl. König, BtPrax 2009, S. 105 [107 f.]; Marschner, R & P 2009, S. 135 [136 f.]; a. A. Kaleck/ Hilbrans/ Scharmer, Ratifikation der UN Disability Convention vom 30. März 2007 und Auswirkung auf die Gesetze für so genannte psychisch Kranke am Beispiel der Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung nach dem PsychKG Berlin, Gutachterliche Stellungnahme, S. 29 ff., 40). Zu den Menschen mit Behinderungen, für die die Gewährleistungen der Konvention gelten, gehören auch psychisch Kranke, wenn die Beeinträchtigung langfristig und von solcher  Art ist, dass sie den Betroffenen an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern kann (Art. 1 Abs. 2 BRK; vgl. Olzen, Die Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention auf die Unterbringung und Zwangsbehandlung nach § 1906 BGB und §§ 10 ff. PsychKG NRW, Gutachten, 2009, S. 2). Die Regelungen der Konvention, die auf Sicherung und Stärkung der Autonomie behinderter Menschen gerichtet sind – insbesondere Art. 12 Abs. 2 BRK, mit dem dieVertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen, und Art. 12 Abs. 4 Satz 2 BRK, der die Vertragsstaaten verpflichtet, bei Maßnahmen betreffend die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, den Willen und die Präferenzen der betreffenden Person zu achten – verbieten jedoch nicht grundsätzlich gegen den natürlichen Willen gerichtete Maßnahmen, die an eine krankheitsbedingt eingeschränkte Selbstbestimmungsfähigkeit anknüpfen. Dies ergibt sich deutlich unter anderem aus dem Regelungszusammenhang des Art. 12 Abs. 4 BRK, der sich gerade auf Maßnahmen bezieht, die den Betroffenen in der Ausübung seiner Rechts- und Handlungsfähigkeit beschränken. Solche Maßnahmen untersagt die Konvention nicht allgemein; vielmehr beschränkt sie ihre Zulässigkeit, unter anderem indem Art. 12 Abs. 4 BRK die Vertragsstaaten zu geeigneten Sicherungen gegen Interessenkonflikte, Missbrauch und Missachtung sowie zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.
2. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer medizinischen Zwangsbehandlung mit dem Ziel, den Betroffenen entlassungsfähig zu machen, hat strikt dessen krankheitsbedingte Unfähigkeit zu verhaltenswirksamer Einsicht – kurz: krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit – zur Voraussetzung (vgl. Bernsmann, in: Blau/ Kammeier, a. a. O., S. 142 [159]; Heide, a. a. O., S. 236; Tietze, a. a. O., S. 120; s. auch Lesting, in: Marschner/ Volckart/ Lesting, a. a. O., Rn. B 209; Rinke, NStZ 1988, S. 10 [11, 13]; aus psychiatrischer und medizinethischer Sicht Garlipp, BtPrax 2009, S. 55
[57 f.]; Maio, in: Rössler/ Hoff, a. a. O., S. 145 [149 ff. m. w. N.]; s. auch Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken und die Verbesserung dern psychiatrischen Versorgung, Resolution 46/ 119 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 17. Dezember 1991, [im Folgenden: UN-Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken], Grundsatz 11 Absätze 6 ff.; zur möglichen
Bedeutung nicht rechtsverbindlicher Entschließungen internationaler Organisationen für die Grundrechtsauslegung BVerfGE 116, 69 [90]). Soweit unter dieser Voraussetzung ausnahmsweise eine Befugnis des Staates, den Einzelnen „vor sich selbst in Schutz zu nehmen“ (vgl. BVerfGE 58, 208 [224]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 – 2 BvR 2270/ 96 -, NJW 1998, S. 1774 [1775]), anzuerkennen ist, eröffnet dies keine „Vernunfthoheit“ staatlicher Organe über den Grundrechtsträger dergestalt, dass dessen Wille allein deshalb beiseitegesetzt werden dürfte, weil er von durchschnittlichen Präferenzen abweicht oder aus der Außensicht unvernünftig erscheint (vgl. BVerfGE 58, 208 [226 f.]; Baumann, Unterbringungsrecht, 1966, S. 25; Marschner, in: Marschner/ Volckart/ Lesting, a. a. O., Rn. 41; Wagner, in: Kammeier, a. a. O., Rn. D 152; zur Gefahr eines fürsorgerischen Paternalismus auch Fink, Selbstbestimmung und Selbsttötung, 1992, S. 188 ff.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 228 ff.; Neumann, KritV 1993, S. 276 [286]; Schwabe, JZ
1998, S. 66 [70]). Auf eine eingriffslegitimierende Unfähigkeit zu freier Selbstbestimmung darf daher nicht schon daraus geschlossen werden, dass der Betroffene eine aus ärztlicher Sicht erforderliche Behandlung, deren Risiken und Nebenwirkungen nach vorherrschendem Empfinden im Hinblick auf den erwartbaren Nutzen hinzunehmen sind, nicht dulden will. Erforderlich ist eine krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit oder Unfähigkeit zu einsichtsgemäßem Verhalten (vgl. BVerfGE 58, 208 [225]).
3. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben sich über das Erfordernis krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit hinaus weitere Anforderungen. Angesichts der besonderen Schwere des Eingriffs ist eine auf die Erreichung des Vollzugsziels gerichtete medizinische Zwangsbehandlung nur unter engen Voraussetzungen zulässig.
a) aa) In materieller Hinsicht folgt aus dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürfen, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen (vgl. BVerfGE 91, 1 [29]; OLG Köln, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 16 Wx 141/ 06 -, NJW-RR 2006, S. 1664 [1665]; aus psychiatrischer Sicht statt vieler Finzen/ Haug/ Beck/ Lüthy, Hilfe wider Willen. Zwangsmedikation im psychiatrischen Alltag, 1993, S. 157). Dies begrenzt auch die zulässige Dauer ihres Einsatzes. Eine zur Erreichung des Vollzugsziels begonnene Zwangsmedikation darf, wenn sie nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Heilungs- und Entlassungsaussichten führt, zum Beispiel nicht allein deshalb aufrechterhalten werden, weil sie der Unterbringungseinrichtung die Betreuung des Patienten erleichtert und den dafür notwendigen Aufwand mindert.
bb) Zwangsmaßnahmen dürfen ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprechen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10. Juli 2007 – 17 W 72/ 07 u. a. -, NJW-RR 2008, S. 230 [231]; Heide, a. a. O., S. 204; Honds, Die Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht, 2008, S. 144 ff. [147]; für Fixierungen OLG Naumburg, Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 U 77/ 09 -, BTPrax 2010, S. 127 [129]; aus psychiatrischer Sicht SAMW, Zwangsmaßnahmen in der Medizin. Medizinisch-ethische Richtlinien, a. a. O., S. 8; Hell, in: Rössler/ Hoff, a. a. O., S. 89 [94]; Garlipp, BtPrax 2009, S. 55 [58]). Für eine medikamentöse Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels bedeutet dies erstens, dass eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss. Zweitens muss der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig ist, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks (s. B. I. 2.) unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (vgl. OLG Celle, a. a. O., S. 231; Wagner, in: Kammeier, a. a. O., Rn. D 147; Volckart/ Grünebaum, a. a. O., Rn. 373; Hartmann, Umfang und Grenzen ärztlicher Zwangsbehandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug, 1997, S. 174). Dies gilt, da der grundrechtseingreifende Charakter der Zwangsbehandlung nicht von der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit des Untergebrachten abhängt (s. o. B. I. 2.), unabhängig davon, ob der Untergebrachte einwilligungsfähig ist oder nicht. Auch beim Einwilligungsunfähigen ist daher ärztliche Aufklärung über die beabsichtigte Maßnahme nicht von vornherein entbehrlich. Als Grundlage einer rechtfertigenden Einwilligung kann die Aufklärung eines Einwilligungsunfähigen zwar nicht dienen; unter diesem Gesichtspunkt ist sie ihm gegenüber insofern funktionslos (vgl. Bernsmann, in: Blau/ Kammeier, a. a. O., S. 142 [160]; Rinke, NStZ 1988, S. 10 [11]). Unabhängig von der Frage, ob durch Aufklärung eine wirksame Einwilligung zu erlangen ist, darf aber auch ein Einwilligungsunfähiger über das Ob und Wie einer Behandlung, der er unterzogen wird, grundsätzlich nicht im Unklaren gelassen werden (vgl. Volckart/ Grünebaum, a. a. O., Rn. 374, m. w. N.; Heide, a. a. O., S. 236; mit Einschränkungen für gutachtlich bestätigte Ausnahmefälle Honds, a. a. O., S. 144 ff. [147]). Eine den Verständnismöglichkeiten des Betroffenen entsprechende
Information über die beabsichtige Behandlung und ihre Wirkungen erübrigt sich daher nicht (vgl. auch UN-Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken, Grundsatz 11 Abs. 9).
Der Grundsatz, dass der Eingriff nicht über das Erforderliche hinausgehen darf, hat auch die Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer – einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrollen – zu bestimmen.
cc) Über die Erfordernisse der Geeignetheit und Erforderlichkeit hinaus ist Voraussetzung für die Rechtfertigungsfähigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sie für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden ist, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen. Die Angemessenheit ist nur gewahrt, wenn, unter Berücksichtigung der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, der zu erwartende Nutzen der Behandlung den möglichen Schaden der Nichtbehandlung überwiegt. Im Hinblick auf die bestehenden Prognoseunsicherheiten und sonstigen methodischen Schwierigkeiten des hierfür erforderlichen Vergleichs trifft es die grundrechtlichen Anforderungen, wenn in medizinischen Fachkreisen ein deutlich feststellbares Überwiegen des Nutzens gefordert wird (vgl. SAMW, a. a. O., S. 7; Garlipp, BtPrax 2009, S. 55 [57 f.]; s. auch Maio, in: Rössler/ Hoff, a. a. O., S. 145 [161]). Daran wird es bei einer auf das Vollzugsziel gerichteten Zwangsbehandlung regelmäßig fehlen, wenn die Behandlung mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist (vgl. Garlipp, BtPrax 2009, S. 55 [58]; für die Unvereinbarkeit irreversibler Eingriffe mit der UN-Behindertenrechtskonvention Aichele/ von Bernstorff, BTPrax 2010, S. 199 [203]; Böhm, BtPrax 2009, S. 218 [220]).
b) Aus den Grundrechten ergeben sich Anforderungen in Bezug auf das Verfahren der Behörden und Gerichte (vgl. BVerfGE 52, 380 [389 f.]; 101, 106 [122]; 124, 43 [70]; stRspr). Der in einer geschlossenen Einrichtung Untergebrachte, der einer Zwangsbehandlung unterzogen werden soll, ist auf solche Sicherungen in besonders hohem Maße angewiesen.
aa) Jedenfalls bei planmäßigen Behandlungen und daher auch bei einer Behandlung, die der Erreichung des Vollzugsziels dienen soll, ist, wenn die Maßnahme trotz Fehlschlags der gebotenen aufklärenden Zustimmungswerbung (s. o. B. II. 3. a) bb)) durchgeführt werden soll, eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, rechtzeitig Rechtsschutz zu suchen. Dies folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), die Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren entfaltet (vgl. BVerfGE 61, 82 [110]; 69, 1 [49]; 116, 135 [156]; 118, 168 [207]). Der Untergebrachte muss Gelegenheit haben, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung
herbeizuführen (vgl. Volckart/ Grünebaum, a. a. O., Rn. 373; siehe auch Art.13, 14 Abs. 2 BRK). Dies gilt auch in Fällen, in denen die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliegt. Hier muss der insoweit von Verfassungs wegen (vgl. BVerfGE 10, 302 [306]) verfahrensfähige Betroffene zumindest, erforderlichenfalls mit Hilfe eines Verfahrenspflegers, rechtzeitig gegen die Erteilung der Einwilligung vorgehen können (vgl. dementsprechend §§ 275, 276 FamFG). Die Ankündigung muss in einer Weise konkretisiert sein, die die Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs sichert und eine hierauf gerichtete gerichtliche Überprüfung ermöglicht (vgl. im betreuungsrechtlichen Zusammenhang BGHZ 166, 141 [153]; LG Kleve, Beschluss vom 12. März 2009 – 4 T
67/ 09 -, juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 23. März 2009 – 5 T 100/ 09 -,juris). Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gehört allerdings auch, dass die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede, wie sie nach der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in der
Ansprechbarkeit auf die günstigen und ungünstigen Medikamentenwirkungen bestehen, nicht über Gebühr beeinträchtigt wird. Dem Konkretisierungserfordernis steht nicht entgegen, dass die Planung und die Entscheidung über die Einzelheiten einer Medikation in erster Linie Sache der ärztlichen Beurteilung ist. Dies trifft zwar zu, ändert aber nichts an der Notwendigkeit einer die Effektivität des Rechtsschutzes sichernden Verfahrensgestaltung. Wenn ärztliche Maßnahmen zwangsweise ergriffen werden, ist der damit verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff der grundrechtlich gewährleisteten gerichtlichen Überprüfung – auch der gerichtlichen Überprüfung  auf seine Verhältnismäßigkeit, die von der näheren Ausgestaltung der Maßnahme  abhängen kann – nicht deshalb entzogen, weil die Angemessenheit der Maßnahme nur auf der Grundlage ärztlichen Sachverstandes beurteilt werden kann. Soweit die gerichtliche Überprüfung nur auf der Grundlage ärztlichen Sachverstandes möglich ist, gehört es zur aus den Grundrechten des Betroffenen folgenden Sachverhaltsaufklärungspflicht der Gerichte (vgl. allg. BVerfGE 101, 275 [294
f.]; BVerfGK 9, 390 [395]; 9, 460 [463 f.]), sich solchen Sachverstandes zu bedienen (vgl. für den Fall der Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung BVerfGE 58, 208 [226]).
Bei einer Zwangsbehandlung mit Neuroleptika muss unbeschadet der Pflicht, sie auch innerhalb der vorgesehenen Laufzeit jederzeit abzubrechen, wenn der Behandlungsverlauf sie als nicht mehr verhältnismäßig erweist, die Konkretisierung sich unter anderem auf die geplante Dauer der Maßnahme beziehen. Dies erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur im Hinblick darauf, dass die Wahrscheinlichkeit bestimmter Nebenwirkungen von der Verabreichungsdauer abhängt (s. o. A. IV. 6.), sondern auch zur Sicherung wiederkehrender umfassender Prüfung der Maßnahme (vgl. für die Notwendigkeit der zeitlichen Befristung jeder Zwangsmaßnahme SAMW, a. a. O., S. 17; Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung in Psychiatrischen Kliniken, Projekt 1994-1996 im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, 1996, S. 198).
bb) Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit unabdingbar ist die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt. Nur dies entspricht auch den völkerrechtlichen Maßgaben, den internationalen Standards in Menschenrechtsfragen und den fachlichen Standards der Psychiatrie (vgl. EGMR, Jalloh v. Deutschland, Urteil vom 11. Juli 2006 –
54810/ 00 -, Rn. 73; UN-Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken, Grundsatz 10 Abs. 2; SAMW, a. a. O., S. 8; Empfehlung Nr. R (98) 7 des Ministerkomitees des Europarats zu ethischen und organisatorischen Aspekten der gesundheitlichen Versorgung in Vollzugsanstalten, Anhang, Nr. 21, in: Bundesministerium der Justiz u. a. [Hrsg.], Empfehlungen des Europarats zum Freiheitsentzug, 2004, S. 163 [168]; Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung in Psychiatrischen Kliniken, a. a. O., S. 207; Anderl-Doliwa u. a. [Arbeitskreis der Chefärzte und leitenden Pflegepersonen der psychiatrischen Kliniken des Landes Rheinland-Pfalz], Leitlinien für den Umgang mit Zwangsmaßnahmen, PsychPflege 2005, S. 100 [102]).
cc) Als Vorwirkung der grundrechtlichen Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes (s. o. B. II. 3. b) aa)) ergibt sich die Notwendigkeit, gegen den Willen des Untergebrachten ergriffene Behandlungsmaßnahmen,meinschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung, zu dokumentieren (vgl. zu grundrechtlich begründeten Dokumentationspflichten in anderen Zusammenhängen BVerfGE 65, 1 [70]; 103, 142 [160]; BVerfGK 9, 231 [238]; 12, 374 [376 f.]; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2007 – 2 BvR 1206/ 04 -, NVwZ 2007, S. 1044, und vom 28. Juli 2008 – 2 BvR 784/ 08 -, NJW 2003, S. 3053 [3054]; allg. BVerfGE 118, 168 [207]; zur Erforderlichkeit der
Dokumentation psychiatrischer Zwangsmaßnahmen vgl. UN-Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken, Grundsatz 10 Abs. 2 und Grundsatz 11 Abs. 10, Abs. 11 Satz 3; Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung in Psychiatrischen Kliniken, a. a. O., S. 58, 205; Anderl-Doliwa u. a. [Arbeitskreis der Chefärzte und leitenden Pflegepersonen der psychiatrischen Kliniken des Landes Rheinland-Pfalz], a. a. O., S. 100 [102]; zur gebotenen Detaillierung SAMW, a. a. O., S. 18). Die Pflicht zu vorheriger Ankündigung der Maßnahme, die effektiven Rechtsschutz ex ante ermöglichen soll, macht eine Dokumentation zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes, den der Betroffene erst später, auch etwa in haftungsrechtlichen Angelegenheiten, sucht, nicht entbehrlich. Unabhängig von der Garantie effektiven Rechtsschutzes ist die Dokumentation auch zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs geboten. Nur auf ihrer Grundlage bleibt fachgerechtes und verhältnismäßiges Handeln unter der für Kliniken typischen Bedingung gesichert, dass die zuständigen Akteure wechseln. Erst recht gilt dasselbe für Behandlungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur unter der Voraussetzung wahren, dass die Auswirkungen im Zeitverlauf beobachtet und aus den Ergebnissen dieser Beobachtung die fälligen Konsequenzen gezogen werden. Hinzu kommt schließlich, dass die Dokumentation auch ein unentbehrliches Mittel der systematischen verbesserungsorientierten Qualitätskontrolle und Evaluation ist. Diese ist, soweit es um Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels geht, sowohlmals Element zukunftsgerichteten Schutzes der unmittelbar betroffenen Grundrechte als auch im Hinblick auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Resozialisierungsziel geboten (vgl. BVerfGE 116, 69 [91]; zu Defiziten in der damaligen Praxis Ketelsen/ Zechert/ Klimitz/ Rauwald, PsychiatPrax 2001, 28: S. 69 [70]; Steinert, in: Kebbel/ Pörksen, Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie, Köln 1998, S. 135 [135, 137]).
dd) Art. 2 Abs. 2 GG fordert darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen, die sich ergeben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheidet (vgl. BVerfGE 52, 391 [407 f.]; 53, 30 [60 ff.]; 113, 29 [57 f.]; 124, 43 [70]; stRspr). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung in Verbindung mit ihrer Geschlossenheit und den dadurch für alle Beteiligten eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende versetzen den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit, in der er, vor allem bei schwerwiegenden Eingriffen, besonderen Schutzes dagegen bedarf, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung und ihrer Mitarbeiter – insbesondere
bei Überforderungen, die im Umgang mit oft schwierigen Patienten leicht auftreten können -, bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt werden (vgl. dementsprechend für das Erfordernis besonderer Sicherungen gegen Interessenkonflikte und missbräuchliche Einflussnahme Art. 12 Abs. 4 Satz 2 BRK; speziell zu medizinischen Eingriffen s. auch UN-Grundsätze für den Schutz von psychisch Kranken und die Verbesserung der psychiatrischen Versorgung, Grundsatz 11 Abs. 6 b und Abs. 13).
Hieraus können sich nicht nur besondere verfassungsrechtliche Anforderungen für etwaige gerichtliche Verfahren ergeben (vgl. für das gerichtliche Verfahren über die Fortdauer der Freiheitsentziehung BVerfGE 70, 297 [310 f.]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. März 2009 – 2 BvR 2543/ 08 -, NStZ-RR 2010, S. 122). Vielmehr muss gesichert sein, dass dem Eingriff eine von der Unterbringungseinrichtung unabhängige Prüfung vorausgeht.
In Teilen der Literatur wird bei Zwangsbehandlungen die Einschaltung eines Betreuers als verfassungsrechtlich geboten angesehen oder angenommen, dass einer betreuungsrechtlichen Lösung jedenfalls von Verfassungs wegen Vorrang einzuräumen sei vor der Ersetzung der Entscheidung des Einwilligungsunfähigen durch eine staatliche Behörde (vgl. Tietze, a. a. O., S. 66 ff.; Popp, a. a. O., S. 75 f.; Lipp, Freiheit und Fürsorge, 2000, S. 55 ff.,134 f.; ders., BtPrax 2005, S. 6 [7]; Rinke, NStZ 1988, S. 10 [14]; a. A. Volckart/ Grünebaum, a. a. O., Rn. 369; Heide, a. a. O., S. 229; Stalinski, BtPrax 2000, S. 59 ff. [61 f.]; Hoffmann, R & P 2005, S. 52 ff.). Das Maßregelvollzugsrecht kann die Einschaltung eines Betreuers durch entsprechend extensive Einwilligungserfordernisse solcher Art, dass bei fehlender Zustimmung des Betroffenen selbst die ersetzende Einwilligung eines Betreuers erforderlich und ausreichend ist, sicherstellen. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, die Rechte des Betroffenen gerade auf diese Weise zu schützen, besteht jedoch nicht. Für den Betroffenen wird der Eingriff, der in einer medizinischen Zwangsbehandlung liegt, nicht dadurch weniger belastend, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt hat. Die entscheidende objektive Schutzwirkung, die in der Einschaltung eines externen Dritten liegt, kann nicht allein auf diese Weise, sondern auch mit anderen Mitteln erreicht werden. Es sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, deretwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdig wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt, wie ihn die Rechtsordnung andernorts für weitaus weniger gravierende Eingriffe vorsieht (§ 81a Abs. 2 StPO), oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle (Ombudsperson, sonstige Behörde), die auch die Aufgabe haben könnte, sicherzustellen, dass die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes nicht aufgrund von Beeinträchtigungen des Betroffenen unterbleibt. Zwar kann für den Betroffenen eine Milderung der Fremdbestimmung darin liegen, dass bei der Auswahl des Betreuers auf seine Wünsche und auf vorhandene Bindungen Rücksicht zu nehmen ist (s. i. E. § 1897 Abs. 4, 5 BGB). Die Realisierung dieses Vorteils stößt aber, gerade bei im Maßregelvollzug Untergebrachten, häufig auf praktische Hindernisse, weil geeignete Personen aus dem persönlichen Umfeld nicht verfügbar sind. Zudem können andere Lösungen mit gewichtigen anderen Vorteilen verbunden sein oder verbunden werden. Dies betrifft etwa die Bedingungen der Einschaltung externen Sachverstandes und die gebotene systematische Evaluation (s. o. B. II. 3. b)
cc)). Die Ausgestaltung der Art und Weise, in der sichergestellt wird, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels eine sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende – Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfindet, ist danach Sache der jeweils zuständigen Gesetzgeber.
4. a) Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten ist, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt. Dies gilt nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Gesetzlicher Regelung bedürfen in verfahrensrechtlicher nicht anders als in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen (vgl. BVerfGE 57, 295 [320 f.]; 73, 280 [294, 296]; 82, 209 [224 f., 227]; 120, 378 [429]). Die  Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein (vgl. für den Strafvollzug i. w. S. BVerfGE 116, 69 [80], m. w. N.). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 49, 168 [181]; 59, 104 [114]; 78, 205 [212]; 103, 332 [384]). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfGE 45, 400 [420]; 117, 71 [111]; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 103, 332 [384]; 113, 348 [375], m. w. N.), und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfGE 110, 33 [54]; 113, 348 [375]). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfGE 78, 214 [226]; 115, 166 [190]; 119, 331 [366]; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfGE 98, 106 [118 f.]; 108, 169 [181, 183]; 119, 331 [366]; stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfGE 59, 104 [114]; 75, 329 [342]; 86, 288 [311]; 110, 33 [55]; 117, 71 [111]). Für die näheren Anforderungen kann, nicht zuletzt in der Frage, inwieweit Maßgaben, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen, ausdrücklicher und konkretisierender Festlegung im einfachen Gesetz bedürfen, auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 110, 33 [64]; 123, 39 [81]).
III. Nach diesen Maßstäben stellt § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MVollzG Rh.-Pf. keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Zwangsbehandlung dar. Die Vorschrift genügt nicht den Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen besonders schweren Grundrechtseingriff (s. o. B. I. 3.) zu stellen sind. Weder für aktuell oder potentiell betroffene Untergebrachte noch für die zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträger der Unterbringungseinrichtung, die einer klaren, Rechtssicherheit vermittelnden Eingriffsgrundlage auch im eigenen Interesse bedürfen, sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels aus dem Gesetz erkennbar.
1. Es kann offenbleiben, ob es an der notwendigen Klarheit der gesetzlichen Grundlage bereits deshalb fehlt, weil aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift nicht hinreichend deutlich wird, in welchem Verhältnis § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MVollzG Rh.-Pf., dem zufolge „Im übrigen“ Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt werden können, zu den Regelungen des vorausgehenden Satzes 1 steht (für unterschiedliche und teilweise ihrerseits unklare Auslegungen der Vorschrift vgl. einerseits Hartmann, Umfang und Grenzen ärztlicher Zwangsbehandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug, 1997, S. 219; andererseits Wagner, in: Kammeier, a. a. O., Rn. D 167; nochmals jeweils anders wohl Volckart/ Grünebaum, a. a. O., Rn. 390; Heide, a. a. O., S. 85, 87; ohne Auslegung mit der Feststellung, die Vorschrift sei unklar, Marschner, R & P 1988, S. 19 [21]). Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob insoweit den Gesetzesmaterialien Klärendes zu entnehmen ist (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz, Ausschuss für Soziales und Gesundheit, Protokoll der 26. Sitzung vom 25. April 1986, S. 1; Landtag Rheinland-Pfalz, Protokoll der 76. Sitzung vom 11. September 1986, S. 4602 [4606]), und ob es für einen Eingriff der hier in Rede stehenden Art ausreichen könnte, wenn Anhaltspunkte für das Verständnis einer nach Wortlaut und Systematik unklaren Ermächtigungsgrundlage sich erst aus den Gesetzesmaterialien gewinnen ließen. Unabhängig von der Frage, in welchem Verhältnis § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MVollzG Rh.-Pf. zu den weiteren Regelungen des Absatzes 1 steht – also bei jeder denkbaren, einschließlich der in den angegriffenen
Entscheidungen zugrundegelegten, Deutung dieses Verhältnisses – fehlt es jedenfalls an einer Regelung wesentlicher materieller und verfahrensmäßiger
Voraussetzungen (s. o. B. II. 2., 3.) für die Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels.
a) So fehlt es insbesondere an einer gesetzlichen Regelung des bei Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels unabdingbaren Erfordernisses krankheitsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit (B. II. 2.). § 6 Abs. 4 MVollzG Rh.-Pf., wonach bei fehlender Einsichtsfähigkeit die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgebend ist, setzt voraus, dass nach Absatz 1 der Vorschrift eine Einwilligung überhaupt erforderlich ist. Dies ist aber bei Behandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels gerade nicht durchweg – je nach Deutung der Teilregelungen des § 6 Abs. 1 MVollzG Rh.-Pf. und ihres Verhältnisses zueinander sogar nur in sehr eingeschränktem Umfang – der Fall. § 6 Abs. 3 MVollzG Rh.-Pf., wonach die Einrichtung zur zwangsweisen Durchführung
von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 nicht verpflichtet ist, solange von einer freien Willensbestimmung des untergebrachten Patienten ausgegangen werden kann, bindet nur die Pflicht, nicht aber auch die Befugnis zu Maßnahmen der Zwangsbehandlung an die Einsichtsfähigkeit des Untergebrachten. Mit der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 1 MVollzG Rh.-Pf., wonach die Maßnahmen für den untergebrachten Patienten zumutbar sein müssen und nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg stehen dürfen, sind die materiellen Voraussetzungen
der Zulässigkeit des Eingriffs nicht hinreichend konkretisiert. Soweit das Gesetz hinsichtlich der nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen Bemühung um das Einverständnis des Betroffenen eine konkretisierende Regelung enthält, greift diese zudem zu kurz, indem sie ein Bemühen um Zustimmung nur unter der Voraussetzung weitreichender Einsichtsfähigkeit vorsieht (§ 5 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf.), während nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Versuch, eine einverständliche Lösung zu erreichen, in weiterem Umfang geboten ist (B. II. 3. a) bb)).
b) Darüber hinaus fehlt eine gesetzliche Regelung weiterer wesentlicher zur Wahrung der Grundrechte notwendiger verfahrensrechtlicher Eingriffsvoraussetzungen. Vorgesehen ist allerdings, dass Maßnahmen nach § 6 Abs. 1 MVollzG Rh.-Pf. nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden dürfen (§ 6 Abs. 5 Satz 2 MVollzG Rh.-Pf.). Unzureichend
ist jedoch die gebotene Ankündigung (B. II. 3. b) aa)) geregelt. Im Rahmen der allgemeinen Regelung über die Anwendung unmittelbaren Zwangs sieht zwar § 22 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 MVollzG Rh.-Pf., ohne nähere Bestimmung der Mindestinhalte, eine vorherige Androhung der Maßnahme für den Fall vor, dass sie mit physischem Zwang („körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel“) durchgesetzt wird. § 22 Abs. 1 MVollzG Rh.-Pf. gestattet allerdings die Anwendung unmittelbaren Zwangs nur für Fälle der Gefährdung von Sicherheit und Ordnung. Welche Bedeutung danach den Bestimmungen des § 22 MVollzG Rh.-Pf. für medizinische Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels zukommt, kann hier offenbleiben. Jedenfalls wären mit einer Regelung, die eine Androhung allein für die Anwendung physischen Zwangs vorschreibt, die Fälle, für die das Ankündigungserfordernis von Verfassungs wegen besteht, nicht ausreichend
erfasst. Denn eine Zwangsbehandlung im Sinne einer medizinischen Behandlung, die gegen den Willen des Betroffenen erfolgt – und schon damit einen besonders schweren Eingriff in dessen Grundrechte darstellen kann -, liegt unabhängig davon vor, ob eine gewaltsame Durchsetzung der Maßnahme erforderlich wird odermder Betroffene sich, etwa weil er die Aussichtslosigkeit eines körperlichen Widerstandes erkennt, ungeachtet fortbestehender Ablehnung in die Maßnahme fügt und damit die Anwendung körperlicher Gewalt entbehrlich macht (B. I. 1., 2.). Weiter mangelt es an Vorgaben zur Dokumentation des Eingriffs (B. II. 3. b)
cc)) und an den im Hinblick auf die besondere Situation der Untergebrachten notwendigen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen, die sicherstellen, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels eine Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfindet (B. II. 3. b) cc)). Die bloße gesetzliche Pflicht zur Meldung durchgeführter Maßnahmen an die Aufsichtsbehörde, einen von dieser zu bestimmenden Arzt und den – etwaigen – gesetzlichen Vertreter (§ 6 Abs. 6 MVollzG Rh.-Pf.) genügt  insoweit nicht.
2. Den Mängeln der gesetzlichen Regelung kann nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung abgeholfen werden. Die verfassungsrechtlichen Defizite können nur durch den Gesetzgeber behoben werden.

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