BGH – Beschluss v. 13.1.2010 – XII ZB 248/09

Unterbringungsmaßnahmen nach § 1906 BGB setzen keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr voraus; notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten. Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus.

 

Nach § 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedarf die Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, grundsätzlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Die Genehmigung kann nur erteilt oder aufrechterhalten werden, wenn und solange die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zulässig ist. Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist die Unterbringung unter anderem zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Für beide Tatbestände der Selbstgefährdung muss die Ursache in einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung liegen, aufgrund derer der Betreute seinen Willen nicht frei bestimmen kann (MünchKomm/Schwab, BGB, 5. Aufl., § 1906 Rz. 17; Staudinger/Bienwald, BGB, 2006, § 1906 Rz. 23; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1906 Rz. 90).

 

Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung verlangt die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten (BT-Drucks. 11/4528, S. 146; Staudinger/Bienwald, § 1906 Rz. 23; Jürgens/Marschner, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1906 BGB Rz. 13). Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, § 1906 Rz. 91). Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, sodass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist  (BT-Drucks. 11/4528, S. 146; BayObLG, FamRZ 1993, 998; OLG München, BtPrax 2006, 105 = FamRZ 2006, 1228 [LS.]; MünchKomm/Schwab, § 1906 Rz. 16; Staudinger/Bienwald, § 1906 Rz. 23).

Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus (Bamberger/Roth/Müller, BGB, 2. Aufl., § 1906 Rz. 9). Die Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB muss zudem erforderlich sein (vgl. Senatsbeschluss v. 23.1.2008 – XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, 866, 867). Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht (MünchKomm/Schwab, § 1906 Rz. 18; Staudinger/Bienwald, § 1906 Rz. 25).

Auch gegen die Dauer der angeordneten Unterbringung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwar ist eine Unterbringung durch den Betreuer nach § 1906 BGB nur zulässig, solange sie zum Wohl der Betreuten erforderlich ist. Der Begriff der Erforderlichkeit ist dabei mit Hilfe des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen (vgl. EuGHMR, NJW 1986, 765). Ist die Unterbringung wegen der krankheitsbedingten Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens zwingend erforderlich und ist die lange Unterbringungsbedürftigkeit – wie hier vom Landgericht festgestellt – auf der Grundlage des vorliegenden Sachverständigengutachtens absehbar, bestehen gegen eine Unterbringung für die Dauer von zwei Jahren nach § 329 Abs. 1 FamFG keine Bedenken.

Unabhängig davon ist die Unterbringung nach § 330 FamFG aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen entfallen sind. Die Betreuerin ist aufgrund der Unterbringungsgenehmigung zwar grundsätzlich zur Unterbringung zum Wohl der Betreuten gehalten (Staudinger/Bienwald, § 1906 Rz. 19 f.); ist eine Fortdauer der Unterbringung aber nicht mehr notwendig, hat sie das Betreuungsgericht davon in Kenntnis zu setzen und auf eine unverzügliche Aufhebung der geschlossenen Unterbringung hinzuwirken (vgl. MünchKomm/Schwab, § 1906 Rz. 6).

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