AG Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 4.9.2009, XVII 300/09

Ein Niedrigstbett, das Sturzrisiken wesentlich verringern kann, kann im konkreten Einzelfall in der individuellen Abwägung vorrangig sein, auch wenn gegenüber einer Fixierung nicht ausschließbare Restrisiken eines Sturzes verbleiben.

AG Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 4.9.2009, XVII 300/09

Die neue  pflegerische Konzeption hat zum Schutz der Betroffenen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten   in vorbildlicher Weise bei Gesamtabwägung besonderes Augenmerk darauf gerichtet, ob alle Möglichkeiten unterhalb der Anwendung fixierender Maßnahmen ausgeschöpft sind, entsprechende Gefahrensituationen abzuwehren. Dabei muss beachtet werden, dass die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind.

In Frage gekommen zur Abwehr aller Risiken wäre weiterhin ein Bettgitter,  was zum umfassenden Schutz der Betroffenen jedoch eine wesentlich höhere  Beeinträchtigung der verbliebenen Lebensqualität bedeutet hätte.  Die Betroffene kann den Sinn der Maßnahme nicht mehr erfassen. Sie unternahm in der Vergangenheit immer wieder Aufstehversuche aus dem Bett heraus, die zeigten, dass sie einen natürlichen Willen gegen die Fixierungen hat. Die Beine hingen schon vereinzelt über das Bettgitter. Freiheitsentziehende Maßnahmen stellen einen erheblichen Eingriff in die Selbstbestimmung und Selbständigkeit eines Menschen  dar. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur nach gewissenhafter Abwägung der Freiheitsrechte mit den Fürsorgepflichten unter bedingungsloser Beachtung der Würde des Menschen und seiner Selbstbestimmung anzuwenden.

Sie sind deshalb auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind immer das letzte Mittel der Wahl. Alternativ zum Bettgitter wurde ein Niedrigflurbett erprobt. Der Einsatz wurde über einen längeren Zeitraum erfolgreich erprobt. Zur Überzeugung des Gerichts und  in Übereinstimmung mit der pflegerischen Konzeption der Einrichtung besteht im Interesse der Erhaltung einer mit der Menschenwürde vereinbarbaren Lebensqualität der Betroffenen die Möglichkeit,  die Restrisiken eines Sturzes bei Aufstehversuchen aus dem Bett zu verringern. Die Pflegedienstmitarbeiter  und die gerichtlich beauftragte Verfahrenspflegerin  erarbeiteten in Augen des Gerichts  bestmöglichste Alternative. Die Verletzungsgefahr durch die weiter anhaltenden Aufstehversuche wird durch den Einsatz des  Niedrigflurbettes weitestgehend minimiert. Weiterhin wird ein Niedrigstbett angewendet, dass Sturzrisiken erheblich verringern kann. Jedenfalls sind bei Stürzen aus dem Bett wesentlich geringere Verletzungsfolgen zu erwarten.Seit mehreren Monaten kann auf Freiheitsbeschränkungen deswegen verzichtet werden, weil die Betroffene auch nicht mehr den Versuch unternimmt, dass Bett zu verlassen. Eine dauerhafte gerichtliche Anordnung über eine regelmäßige Freiheitsentziehung durch ein Bettgitter erscheint nicht notwendig. Im Interesse der Lebensqualität der Betroffenen müssen verbleibende Restrisiken auch ohne weiteres hingenommen werden. Keinesfalls rechtfertigt allein die Intention, Stürze allgemein zu vermeiden, in jedem Fall den Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen unterstützt daher die pflegerische Konzeption der Einrichtung,  im Falle von Aufstehversuchen keine umfassenden Fixierungen vorzunehmen. Dass es dabei im Wege der Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos gelegentlich zu Stürzen kommt, ist nach dem Stand der Rechtsprechung, so bedauerlich sie sind, im Interesse des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde der Heimbewohner hinzunehmen.

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