Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 I bis III BGB einerseits und einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 IV BGB andererseits sind unterschiedliche Verfahren und nicht dieselbe Angelegenheit i. S. des § 15 II S. 1 RVG.
BGH, Beschluss v. 12.9.2012 – XII ZB 543/11
Mit Beschluss vom 7. April 2011 genehmigte das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des an Demenz leidenden Betroffenen. Zudem bestellte es den Beteiligten zu 1, der Rechtsanwalt ist, für den Betroffenen zum Verfahrenspfleger. Dabei stellte es fest, dass die Verfahrenspflegschaft in Ausübung des Berufes geführt werde. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tage genehmigte das Amtsgericht die zeitweise Beschränkung der Freiheit des Betroffenen unter anderem durch den Einsatz von Bettgittern und sedierender Medikamente. Auch für dieses Verfahren bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 unter den vorgenannten Bedingungen zum Verfahrenspfleger.
Die Vergütung des Rechtsanwalts richtet sich in Unterbringungssachen im Sinne von § 312 FamFG nach Teil 6 Abschnitt 3 – und dort grundsätzlich nach Nr. 6300 – des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (vgl. Senatsbeschluss v. 13.6.2012 – XII ZB 346/10 -, FamRZ 2012, 1377 Rz. 6).
Die Frage, ob der anwaltliche Verfahrenspfleger die Vergütung nach Nr. 6300 VV RVG in Unterbringungssachen – wie vom Beschwerdegericht entschieden – nur einmal fordern kann, richtet sich nach § 15 Abs. 2 RVG. Danach kommt es darauf an, ob es sich bei der Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 bis 3 BGB und der Genehmigung der weiteren freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB kostenrechtlich um dieselbe Angelegenheit handelt. Werden allerdings mehrere Verfahren nebeneinander geführt, so liegen stets verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG vor (N. Schneider, in: Anwaltkommentar RVG, 5. Aufl., § 15 Rz. 80, m. w. N.).
Das Gesetz unterteilt die Unterbringungssachen in § 312 FamFG in verschiedene Verfahren. Dessen Nummer 1 erfasst die Verfahren zur Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 bis 3, 5 BGB. Nummer 2 bezieht sich auf die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB durch einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten (Senatsbeschluss v. 27.6.2012 – XII ZB 24/12 -, FamRZ 2012, 1372 Rz. 12).
Dass es sich bei den Genehmigungen im vorgenannten Sinn nach Nummer 1 und Nummer 2 um verschiedene Verfahren mit entsprechend unterschiedlichen Voraussetzungen handelt, zeigt bereits die Regelung des § 321 FamFG. Während vor einer Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 Abs. 1 und 2 BGB eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat, genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB ein ärztliches Zeugnis.
Es handelt sich vorliegend auch nicht etwa deshalb um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, weil eine Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB bereits in der Genehmigung der Unterbringung als solcher enthalten wäre. Da die Unterbringung den Betroffenen im Einzelfall weniger beeinträchtigt als eine freiheitsentziehende Maßnahme i. S. von § 1906 Abs. 4 BGB, ist Letztere stets auch dann gesondert gerichtlich zu genehmigen, wenn der Betroffene nach § 1906 Abs. 1 bis 3 BGB untergebracht ist (Senatsbeschluss, BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618; Marschner, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl., § 1906 BGB Rz. 43, m. w. N.; Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1906 Rz. 34, m. w. N.).
Die materiell-rechtlich verschiedenen Angelegenheiten sind deswegen auch gebührenrechtlich nicht als dieselbe Angelegenheit i. S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG zu behandeln.
Dass das Amtsgericht die beiden Beschlüsse am selben Tag und unter demselben Aktenzeichen erlassen hat, steht der gebührenrechtlichen Behandlung als verschiedene Angelegenheiten nicht entgegen. Denn maßgeblich ist allein, dass es sich bei den der Bestellung zugrunde liegenden Verfahren bzw. Verfahrensgegenständen nicht um dieselbe Angelegenheit handelt (vgl. zur Vergütung des Verfahrensbeistandes Senatsbeschluss v. 1.8.2012 – XII ZB 456/11 -, FamRZ 2012, 1630).