Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Kindern aufgrund Entscheidung der Sorgeberechtigten unterliegen nicht der Genehmigungspflicht durch das Gericht
LG Essen – Beschluss vom 12.03.1993 – 7 T 148/93
Bei dem Betroffenen handelt es sich um ein schwer geistig und körperlich behindertes Kind. Sein Entwicklungsstand entspricht dem eines 15 Monate alten Kindes. B. lebt im Kinderhaus G. Es besteht eine ausgeprägte motorische Unruhe, vor allem bei Erkrankungen. Diese Unruhe führt dazu, daß das Kind nachts nicht zur Ruhe kommt, sondern im Bett umherläuft und keinen Schlaf finden kann. In derartigen Krankheitsphasen soll B. nachts mittels eines Segofixgurtes zur Förderung des Schlafes und der Schlafqualität fixiert werden.
Gemäß § 1631b BGB ist eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur mit Genehmigung des VormG zulässig. Eine Unterbringung mit Freiheitsentziehung i. S. von § 1631b BGB liegt vor, wenn z. B. Heiminsassen auf einem bestimmten beschränkten Raum festgehalten werden, ihr Aufenthalt ständig überwacht und die Aufnahme von Kontakten mit Personen außerhalb des Raumes durch Sicherungsmaßnahmen verhindert wird. Dies ist in der Regel nur bei einer Unterbringung in einem geschlossenen Heim oder einer geschlossenen Anstalt bzw. einer geschlossenen Abteilung einer solchen Anstalt gegeben (Palandt/Diederichsen, BGB, 52. Aufl., § 1631b).
Dagegen liegt eine unterbringungsähnliche Maßnahme vor, wenn durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
Die Fixierung mit einem Segofixgurt ist eine unterbringungsähnliche Maßnahme, denn dadurch soll dem Betr. während einer Krankheit das Umherlaufen im Bett zur Nachtzeit unmöglich gemacht werden; eine dauernde Fixierung ist nicht beabsichtigt. § 1631b BGB regelt die unterbringungsähnlichen Maßnahmen nicht. Dies ergibt sich daraus, daß § 1631b BGB ausdrücklich nur von der Unterbringung des Kindes mit Freiheitsentziehung spricht. Für Volljährige ist diese Regelung mit entsprechendem Wortlaut in § 1906 I BGB getroffen worden. Dort ist aber gesondert in § 1906 IV BGB eine Regelung über die unterbringungsähnlichen Maßnahmen enthalten. Daß eine solche Regelung in § 1631b BGB fehlt, führt zu dem Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber eine solche Regelung für Kinder gerade nicht treffen wollte. § 1906 IV BGB gilt seinem Wortlaut nach nur für Betreute, d. h. gemäß § 1896 I BGB nur für Volljährige, und § 70 I S. 2 Nr. 2 FGG nennt ausdrücklich nur die Genehmigung einer Maßnahme nach § 1906 IV BGB, deshalb sind die unterbringungsähnlichen Maßnahmen der Sorgeberechtigten von der Genehmigungspflicht und dem Verfahren nach §§ 70 ff. FGG nicht erfaßt (Bienwald, Betreuungsrecht, 1992, § 70 FGG Rz. [].
1906 IV BGB ist auch nicht analog anwendbar, denn es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß es sich um eine unbewußte Gesetzeslücke handelt. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen geregelt, u. a. z. B. die Sterilisation des Kindes in § 1631c BGB; deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß die unterbringungsähnlichen Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen unbewußt nicht geregelt wurden.