Am Mittwoch, den 20. Oktober 2021 fand der 12. Fachtag Werdenfelser Weg statt, nochmals als online Veranstaltung.
Thema diesmal war:
Freiheitsentziehung im Krankenhaus:
Lösungen bei Demenz, Mehrfachbehinderung, Intensivpflicht, im Sterbe- und Notfall
Ein Krankenhausaufenthalt stellt im Leben jedes Menschen in der Regel eine erhebliche Abweichung vom sonstigen Alltag dar. Mitunter planbar, häufig aber auch kurzfristig oder gar ohne Vorlauf. In dieser Situation sind insbesondere die vulnerabelsten Personengruppen in besonderer Weise gefährdet, dass freiheitsentziehende Maßnahmen zur Anwendung kommen. Deswegen befassen wir uns mit der Sondersituation Krankenhausaufenthalt bei Menschen mit Handicaps oder Demenz.
Darüber hinaus bedeutet die Arbeit in Krankenhäusern auch häufig grenzwertige Situationen der Vermeidung von Selbst- und Fremdverletzung, beispielsweise bei deliranten Patienten auf Intensivstation oder verwirrten Patienten in der Notaufnahme. Was greift da zum Patienten- und Mitarbeiterschutz?
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9.00 – 9.10 Uhr Begrüßung
Prof. Dr. Daniel Flemming, KSH München
9.10 – 9.30 Uhr Begrüßung
Josef Wassermann, Dr. Sebastian Kirsch
Dr. Kirsch sprach die die Studienlage zur Situation von freiheitsentziehenden Maßnahmen in Krankenhäusern an. Sie ist im Moment noch dünn. International wurden vor ein paar Jahren gerade mal zehn Studien ausgewertet und identifiziert die sich mehr oder weniger tief mit dem Problem befasst haben. Eine neue Studie der Universitäsmedizin Halle unter dem Namen Protect läuft derzeit an. Sie befasst sich mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in deutschen Krankenhäusern.
Sie wird geleitet von Jens Abraham von der Uni Halle. Ziel ist zu überprüfen, inwieweit Fortbildungsprogramme an Krankenhäusern mit alternativen Abläufen und Strategien dazu führen, freiheitsentziehende Maßnahmen zu reduzieren. Man geht davon aus, dass bis zu 10 % der Patienten in Akutkrankenhäusern freiheitsentziehenden Maßnahmen unterworfen sind. An der Studie nehmen über sechs Monate 6-8 Krankenhäusern mit voraussichtlich 28 Stationen in der Regionshalle Leipzig teil. Auf der Hälfte der Stationen wird mit einem alternativen Interventionsprogramm gearbeitet, beim Rest wird mit der bisherigen Versorgung auf kritische Situationen reagiert. Insgesamt soll das Forschungsprojekt in drei Jahren zu einer Auswertung kommen. Wir sind sehr gespannt, was das erfahrene Team um Jens Abraham für Ergebnisse aufzeigen kann.
9.30 – 9.45 Uhr Grußwort
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland e.V.
Die VdK Präsidentin Verena Bentele hielt ein beeindruckendes, nachdenkliches und zugleich erfrischendes Grußwort und verknüpfte politisches Lob mit Kritik und eigenen Lebenserfahrungen.
Sie stieg ein in die Thematik mit einer eigenen Lebenserfahrung aus der Verknüpfung ihrer Sportlerkarriere und der Tatsache ihrer Erblindung, dass jeder Mensch in sehr vielen Situationen die Abwägung zwischen Sicherheit einerseits, Selbstbestimmung und anderen Interessen, die ihm wichtig sind, andererseits vornimmt.
Diese Frage stelle sich nicht nur bei Menschen mit Handicaps, sondern bei jedermann. Sie betonte die Sicht der Betroffenen und schilderte wie belastend die veränderte Lebenssituation während eines Krankenhausaufenthaltes häufig von den Betroffenen empfunden wird aufgrund der veränderten und vorgegebenen Tagesstruktur und des fremden und wenig auf die besonderen Bedürfnisse zugeschnitten Lebensraums Krankenhaus.
Sie forderte den Mut, neue Wege zu gehen.
Sie betonte, wie wichtig in diesem Zusammenhang eine vertraute Person sein kann und welch hohen Stellenwert die neue gesetzliche Regelung zur Assistenz im Krankenhaus für behinderte Menschen haben wird.
Sie lobte die gesetzliche Neuregelung nicht nur, sondern kritisierte sie auch als nicht weit gehend genug. Sie kritisierte, dass Menschen mit Demenz mit ähnlicher Bedarfslage derzeit noch ausgenommen sind und erhob damit zugleich in ihrem Grußwort die politische Forderung zur Nachbesserung.
9.45 – 10.00 Uhr
Die „Werdenfelser Werte“, der Grundstein und das Aushängeschild der Idee
Josef Wassermann
Josef Wassermann präsentierte den Wertekanon der Idee des Werdenfelser Wegs. Er rief die Leitbilder, die dahinter stehen, in Erinnerung, und zeigt die Möglichkeit auf, dass insbesondere über den Internetauftritt des Werdenfelser Wegs eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen werden kann und von vielen auch genutzt wird, Einrichtungen ausfindig zu machen, die sich in besonderer Weise der Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen verpflichtet fühlen. Diese Möglichkeit soll insbesondere auch Krankenhäusern, die ein zugeschnittenes Angebot für besonders vulnerable Personengruppen präsentieren wollen, eröffnet werden. Die Teilnahme an den Werdenfelser Werten soll Hilfestellung bieten, dass Patienten und Angehörige so Kliniken und Einrichtungen finden können, die sich an der Grundidee und den Leitbildern orientieren. Der Zugang soll insbesondere auch nicht nur auf Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen beschränkt sein, danach beispielsweise Rehakliniken eröffnet werden.
10.00 – 10.20 Uhr
Aufnahme von mehrfach Behinderten im Krankenhaus ohne Sedierung
Dr. phil. Dipl.-Ing. Helmut Huber, als Angehöriger und Betreuer Betroffener
Dr. Helmut Huber stellte in einem sehr persönlichen Vortrag die Situation seiner erwachsenen Tochter dar, die als Folge eines Impfschadens an einer schweren geistigen Behinderung leidet und zudem auch körperliche Gebrechen aufweist. Er schilderte beispielhaft ein Ereignis vor einigen Jahren, als er in München bei einem akuten Handlungsbedarf für seine Tochter von Mitternacht bis 6:00 Uhr morgens nacheinander mehrere Kliniken im Raum München anfuhr mit der Bitte, seine Tochter aufzunehmen und zu behandeln. Das wurde infolge der starken geistigen Behinderung seiner Tochter ein ums andere Mal abgelehnt.
Man bekam in seinem Vortrag ein Gefühl dafür, dass vereinzelte Spezialkliniken in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend erscheinen, wenn nicht planbarer Eingriff oder ein Unfallereignis zu einer schnellen Ortsnamen stationären Krankenhausaufnahme führen muss.
In aller Bescheidenheit verwies er auf seine eigene lokale Initiative in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen und dem Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Es sei auch nicht ausreichend, nur auf die Begleitung durch enge Vertrauenspersonen oder Einrichtungsmitarbeiter zu bauen, wie die neu geschaffene Gesetzeslage es ermöglicht. Es sei wichtig, auch Wege zu finden für Behinderte, ihn ins Krankenhaus müssen, aber keinen privaten oder von der Einrichtung entsandten Begleiter zur Seite haben.
10.20 – 11.05 Uhr
Vermeidung von feM in der Krankenhausversorgung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung
Prof. Dr. Peter Martin, Chefarzt Séguin-Klinik
Herr Professor Martin schilderte in einem sehr praxisnahen Vortrag die Abläufe insbesondere in seiner Klinik und stellte zunächst die verschiedenen Gefahrenpotenziale dar, mit denen sich alle Krankenhausmitarbeiter auseinander zusetzen hätten. Dabei sind insbesondere Anfallssituationen einerseits, Situationen, in denen Mehrfachbehinderte Patienten Station oder Gebäude aus eigenem Antrieb verlassen wollen, im Vordergrund. Zudem müsse man regelmäßig die Gefahr einer Manipulation an frischen Wunden berücksichtigen und sei konfrontiert mit Patienten, die nicht einhalten könnten, medizinisch erforderliche Belastungsvermeidungen über einen kürzeren oder längeren Zeitraum umzusetzen.
Er betonte, dass beim Ansatz seiner Klinik der background aller Mitwirkenden vom Reinigungspersonal über die Pflege bis in die Ärzteschaft gewünscht und in der Umsetzung notwendig sei.
Ein zentraler Ansatz dabei sei zum einen die notwendige Empathie aller Mitwirkenden, sich hinein zu versetzen in die andere Person. Sie würden sich bemühen, in die Lebenswelt dieses konkreten Patienten einzutauchen.
Es sei auch regelmäßig erforderlich, sich mit eigenen Vorurteilen auseinander zusetzen und diese immer wieder zu hinterfragen.
Die Interaktion mit den Patienten erfordere von den Mitarbeitern viel Reflexion aber auch Selbstreflexion.
Einen zentralen Punkt nehme ein, Ressourcen des konkreten Patienten zu klären, zum einen seine Fähigkeiten kognitiver erklärtes zu verstehen und zu erkennen, welche Wege zur Kommunikation mit gerade diesen Patienten eröffnet sind. Ein zentrales Element sei, eine geeignete Kommunikationsform mit jedem Patienten individuell zu finden. Diese Kommunikation müsse auch immer auf Augenhöhe stattfinden, nicht über den Patienten, sondern mit dem Patienten zu reden und im wahrsten Sinne des Wortes dabei die Augenhöhe mit ihm einzuhalten.
Als wichtiges Hilfsmittel beschrieb er das das emotionale Entwicklungsniveau für jeden Patienten individuell eingeordnet würde und zwar in zehn unterschiedlichen Entwicklungsbereichen, Dies nicht nur bei längeren Aufenthalten, sondern idealerweise selbst bei kurzfristigen stationären Versorgungsleistungen. An einem ganz praktischen Beispiel von Ohrenschmerzen bei einem mehrfach behinderten Patienten schilderte er die Dynamik, die zu selbstverletzenden Verhaltensweisen führe und die Möglichkeiten, die ein biopsychosoziales Modell dabei zur Identifikation des Probleme leisten kann. In seinem Beispielsfall beschrieb er in den verschiedenen Stadien des fortgesetzten Schmerzereignisses, wie durch erklärbare Mechanismen das Verhalten des Patienten in verschiedenen Lebensbereichen sich verändert, Oft auch gerade als Reaktion auf das Verhalten derjenigen, die Schwierigkeiten zeigen, die Ursache für Verhaltensänderungen zu erkennen.
Er betonte in diesem Zusammenhang wie wichtig die individuelle Wertschätzung und Ressourcenorientierung sei. Es müsse immer nach individuellen Kommunikation wegen gesucht werden und man müsse jederzeit bereit sein, selbstkritisch den eigenen Ansatz zu prüfen. Ein wichtiger Baustein dabei sei auch ein fundiertes Deeskalationstraining.
11.25 – 12.10 Uhr
Strategien gegen feM bei dementen Patienten in der Krankenhausversorgung
Dr. Winfried Teschauer
Herr Dr. Teschauer stellte zunächst fest, dass ein Krankenhaus grundsätzlich der denkbar ungeeignete Ort für Menschen mit Demenz sei. Unter den Krankenhausbedingungen würden sich häufig eine Vielzahl von Problemen für die Betroffenen selbst, aber auch für Angehörige und Mitarbeiter ergeben, häufig durch herausforderndes Verhalten, nächtliche Unruhe aber auch Halluzinationen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Man müsse sich klar sein, dass ca. 10 % aller Krankenhauspatienten in Allgemeinkrankenhäusern tendenziell verändert sein.
Er berichtete von den praktischen Erfahrungen und Erkenntnissen, die in Zusammenarbeit der Alzheimer Gesellschaft mit einigen bayerischen Krankenhäusern erzielt werden konnten. Dabei ergab sich, dass es eine Vielzahl von Stellschrauben gibt, mit denen sich die Situation für Menschen mit Demenz im Krankenhaus verbessern lässt, oft dabei auch ohne großen finanziellen Aufwand.
Er betonte dabei die Wichtigkeit von Schulungen für pflegerisches Personal und Ärzte und die Einlassung auf individuelle Fallbesprechungen.
Im Projekt der alternde Gesellschaft wurde auf Schulungen und Workshops besonderer Wert gelegt. Dabei wurde versucht, einzelfallorientierte Arbeit vorzubereiten, bei der zum einen die Situation herausfordernden Verhaltens beobachtet wurde und zum anderen zur Hypothesenbildung über die Ursachen angeregt wurde. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Beachtung individueller Handlungsoptionen ein, die mit Assessments unterstützt wurde.
Zugleich wies er die Teilnehmer hin auf einen umfangreichen Leitfaden für die Gestaltung von Räumlichkeiten und die Bereithaltung von Hilfsmitteln im Krankenhaus, die sich dabei ergeben hätte.
12.10 – 13.00 Uhr
FeM in der klinischen Versorgung – Intensivstation und Früh-rehabilitation Phase B im Kontext Palliative Care
Martina Neldel, Verfahrenspflegerin n. d. Werdenfelser Weg, Palliative Care Fachkraft/ Pflegemanagement B. A.
Frau Neldel zeigte die Aufgabenumschreibung und den Einsatzbereich von Verfahrenspflegern im Krankenhaus auf.
Sie schilderte aus ihrer Erfahrung auf Intensivstationen, welche typischen Krankheitsbilder und Gefahrenlagen dabei besonders häufig zu beachten sind. Sie nahm die Teilnehmer mit in der Beschreibung ihrer konkreten Vorgehensweise und betonte dabei, dass sie auch ressourcenorientiert Erhebungen vornimmt beispielsweise zum kognitiven und Kommunikationsstatus.
Sie beschrieb auch die Auswirkungen, wenn es zu einem Therapiewechsel während des Krankenhausaufenthaltes kommt und die Palliation in den Mittelpunkt rückt. Gerade alsbaldiger palliative Koordinatorin konnte sie den Wechsel von der Kooperativen in die qualitative Versorgung kompetent beschreiben.
Während nach ihren Beobachtungen bei der intensivmedizinischen Versorgung mit kurativer Zielsetzung freiheitsentziehende Maßnahmen häufiger zum Einsatz kommen, weil eine Einschränkung der Lebensqualität häufig vor dem Hintergrund der erhofften Heilung akzeptiert werde, zeige sich beim Wechsel des Therapieziels hin zur Palliation, dass häufig nach einer kurzen Übergangszeit viele freiheitsentziehende Maßnahmen beendet würden im Interesse des Erhaltes der Lebensqualität.
14.00 – 14.45 Uhr
5-Punkt-Fixierung auf der Intensivstation – Rechtliches Neuland
Sebastian Kirsch
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Dr. Kirsch befasste sich mit der rechtlichen Situation bei Fünf-Punkt-Fixierungen im somatischen Krankenhaus und
auf Intensivstationen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom achten 20. Juli 2018 zum Regelungsgehalt in Psychiatrie in wurde zum Ausgangspunkt genommen und insbesondere auch deren Anforderungen dargestellt. Die Teilnehmer wurden an die Entscheidung herangeführt und die vom Verfassungsgericht angenommene Genehmigungsbedürftigkeit bei umfassenden Fixierungen schon nach 30 Minuten dargestellt. Wie das Verfassungsgericht, betonte auch Dr. Kirsch die Auslegung der grundgesetzlichen Vorgabe der Unverzüglichkeit und zog Parallelen zu den verschiedenen Anwendungsbereichen, in denen so intensive freiheitsentziehende Maßnahmen stattfinden. Er betonte, dass keine überzeugenden rechtlichen Argumente dagegen sprechen, die Grundregeln, die das Verfassungsgericht für die Situation öffentlich-rechtlicher Fixierung in der Psychiatrie formulierte, auf andere Lebensbereiche zu übertragen, in denen in gleicher Intensität die Freiheit entzogen wird.
Damit gilt auch im Bereich des somatischen Krankenhauses die strenge 30 Minuten plus X Regel, die eine unverzügliche Meldung an das Amtsgericht erfordere. Es gelte auch für die Richterschaft die hohe Anforderung der unverzüglichen Befassung.
Soweit das Bundesverfassungsgericht die ärztliche Präsenz einforderte, sei dies im Bereich der Krankenhausversorgung eine leicht zu nehmende Hürde.
Problematischer erscheint die Frage, ob die vom Verfassungsgericht grundsätzlich geforderte eins zu eins Betreuung durch Fachpersonal eingehalten werden muss oder ob auf Intensivstationen beispielsweise eine Monitor Kontrolle oder eines Bettes an einer viel frequentierten Stelle der Station ausreiche. Dr. Kirsch arbeitete heraus, dass nicht nur die Gefahrenlage der unbeabsichtigten Selbstverletzung beachtet werden müsse, die möglicherweise auf technischem Weg reduziert werden kann, sondern auch das subjektive Gefühl des Beistands durch eine Person, die aufmerksam auf die Bedürfnisse des Betroffenen achten kann und in dieser ausgelieferten Lebenssituation Gefühl von Schutz vermitteln kann. Er sprach sich auch dafür aus, dass es keinen sachlichen Unterschied gebe, warum eine nachträgliche Aushändigung einer Rechtsbehelfsbelehrung im somatischen Krankenhaus nicht gefordert werden müsse und nicht in ähnlicher Weise für eine nachträgliche Rekonstruktion eine ausreichende Dokumentation eingefordert werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser aus der Verfassungsgerichtsrechtsprechung abzuleitenden Anforderungen appellierte er, alle Möglichkeiten jederzeit zu prüfen, mit niedrigeren eingreifenden Maßnahmen, die Risikolagen zu reduzieren.
14.45 – 15.30 Uhr
Die Sitzwache im Krankenhaus Möglichkeiten und Grenzen
Dr. med. Jan Perras, Leitender Arzt Intensivmedizin UK Murnau
Dr. Perras schilderte seiner langjährigen oberärztlichen Erfahrung die Ausgangssituation in Akutkliniken und die seit Jahren zunehmende Konfrontation mit den zusätzlichen Krankheitsbildern der Demenz und des Delirs.
Er rief in Erinnerung, dass bei einem delegieren eine Letalität von 20-30 % zu befürchten sei und die Gefahr dauerhafter kognitiver Defizite.
Er betonte die Zielkonflikte der intensivmedizinischen Versorgung einerseits und der Vermeidung von Problemen, die sich aus der besonderen Lebenssituation und dem besonderen erleben unter den Rahmenbedingungen eines intensivmedizinischen Krankenhausaufenthaltes ergeben.
Zudem seien Ärzte auch in gewissem Umfang eingeschränkt durch das Erfordernis Leitlinien gerechter Behandlung. Umso wichtiger sei es, dass auch Ärzte sich immer wieder vergegenwärtigen, in welch rechtlich sensiblen Bereich Sie tätig werden. Die tagtäglichen Gefahrenlagen würden sich auf der Intensivstation in aller Regel einerseits mit Sturzgefahren und andererseits im eigenmächtigen Entfernen von Hilfsmitteln ergeben..
Es sei ein hoher Anspruch unter Wahrung der ethischen Prinzipien mit diesem Risikolagen umzugehen. In diesem Zusammenhang habe man seit vielen Jahren jetzt mit der Maßnahme einer Sitzwache gute Erfahrungen gemacht, die häufig notwendige freiheitsentziehende Maßnahmen ergänzen können, im Idealfall auch ersetzen. Anhand von Einzelbeispielen zeigte er auch die Grenzen auf, beispielsweise physische Grenzen bei besonders starken und fremd aggressiven oder nicht zu bändigenden Patienten. Er beschrieb auch psychische Grenzen für eine Sitzwache, wenn beschwerst verletzte (zum Beispiel Brandverletzte) Patienten intensivmedizinisch versorgt werden müssen in solchen Situationen sei abzuwägen, ob die Sitzwache auch dem Wachenden zugemutet werden könne. Und er betonte die mitunter bestehenden Grenzen bei Isoliersituationen.
Zur Kostenfrage erklärte er, dass im Fall seiner Klinik eine Klinikleitung die Zusage zur Übernahme der daraus entstehenden Zusatzkosten grundsätzlich erteilt habe. Es sei auch denkbar, dass derartige Sitzwache im Einzelfall von Angehörigen und Familienmitgliedern geleistet werden könnten. Dabei beschrieb er die Möglichkeiten, die sich auch ergeben durch so genanntes rooming in. Es wurde in seinem Vortrag deutlich, dass auch im intensivmedizinischen Bereich eine jeweilige individuelle Einzelfallbetrachtung der Gefahrenlagen und der Möglichkeiten notwendig erscheint.
15.45 – 16.30 Uhr
FeM in der Notaufnahme ein notwendiges Übel?
Anton Stiglmaier, Universitätsklinikum Regensburg
Herr Stiglmaier beschrieb in einem jederzeit genauso humorvollen wie kompetenten Beitrag die Alltagssituation in der Notaufnahme am Beispiel der Uniklinik Regensburg. Er beschrieb, wie er seine Erfahrungen in diesem Bereich auch mit in die hausinternen Fortbildungen zum Thema Fixierungen im Klinikum einbringen kann. Anhand einer Vielzahl von Einzelbeispielen und Anekdoten arbeitete er heraus, großen Stress es darstellt, fixiert zu werden, damit unter der Stress, eine Fixierung anzuwenden aber nicht geringer einzuschätzen sei.
Er konnte darstellen, dass er mit einer einfachen Fünf Finger Regel in einer Vielzahl von Situationen mit herausforderndem Verhalten bei der Aufnahme von Patienten schnell vorankommt, einen Problemkreis zu identifizieren, der zu dem als problematisch empfundenen Verhalten führen kann.
Er erläuterte, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache ausreichend eingrenzen kann, wenn er sich mit den Aspekten Hunger, Durst, Klo, Müdigkeit oder Schmerzen auseinandersetzen kann und in Erfahrung bringen kann, ob eines dieser Probleme zur aktuellen Belastung führt. Die Kommunikation sei in dieser Situation häufig der Schlüssel zur Entkrampfung. Er habe beispielsweise die Beobachtung gemacht, dass er nach Noteinsatz von Sanitätern und Notarzt und Einlieferung im Krankenhaus die erste Person ist, die sich dem Erkrankten oder Verunfallten namentlich als Person vorstellt.
16.30 – 16.45 Uhr
Zusammenfassung und Verabschiedung
Josef Wassermann, Sebastian Kirsch