AG Meißen – Beschluss v. 27.4.2007 – 5 X 25/07

Die Anbringung eines Sicherheitschips (Funkortungschip) an der Kleidung bzw. durch Umhängen bedarf nicht der gerichtlichen Genehmigung.

 

Der Betroffene leidet nach den gerichtlichen Ermittlungen an einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung, aufgrund derer es immer wieder zu psycho-motorischer Unruhe mit Weglauftendenzen kommt. Er versucht dann, die Einrichtung zu verlassen und hat auf diese Weise schon Entfernungen von bis zu 1,5 Kilometern zurückgelegt.

Das Anbringen einer Sendeanlage an der Kleidung bzw. mittels Umhängen um den Hals stellt noch keine freiheitsentziehende Maßnahme i. S. des § 1906 IV BGB dar und bedarf daher keiner gerichtlichen Genehmigung.

Ob Personenortungsanlagen als freiheitsentziehende Maßnahme i. S. dieser Vorschrift anzusehen sind und deshalb der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die bislang veröffentlichte Rechtsprechung der AmtsGe hält eine derartige Maßnahme entweder für genehmigungspflichtig (AmtsG Bielefeld, BtPrax 1996, 232; AmtsG Stuttgart-Bad Cannstatt, FamRZ 1997, 704) oder wegen Verstoßes gegen das grundgesetzlich geschützte Recht auf Menschenwürde gar für von vornherein nicht genehmigungsfähig (AmtsG Hannover, BtPrax 1992, 113).

Dem gegenüber misst der ganz überwiegende Teil der Literatur (s. etwa MünchKomm/Schwab, BGB, 4. Aufl., § 1906 Rz. 34; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1906 Rz. 37; Soergel/Zimmermann, 13. Aufl., § 1906 Rz. 80; grundlegend Feuerbach, BtPrax 1999, 93) dem Einsatz von Personenortungsanlagen keine freiheitsentziehende Wirkung i. S. des § 1906 IV BGB zu. Zu dieser Auffassung neigt auch die – soweit ersichtlich – bislang einzige obergerichtliche Entscheidung (OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1481).

Der Einsatz von Personenortungsanlagen stellt für sich genommen keine freiheitsentziehende Maßnahme i. S. des § 1906 IV BGB dar. Der Schutzzweck des Genehmigungsvorbehaltes, nämlich die körperliche Bewegungs- und Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung i. S. der Aufenthaltsbestimmungsfreiheit zu gewährleisten, wird allein durch die Ausstattung des Betr. mit einer Sendeanlage, die es dem Pflegepersonal lediglich ermöglicht festzustellen, ob dieser das Heim verlässt, nicht tangiert. Nicht dieses Mittel beschränkt die Fortbewegungsfreiheit. Ob die Freiheit beeinträchtigt wird, hängt vielmehr von der Reaktion der Einrichtung ab, wenn der Betroffene  ihren Bereich verlässt; wird er nunmehr mit Gewalt zurückgebracht, so ist diese Gewaltanwendung die freiheitsentziehende Maßnahme (so auch Schwab und Soergel/Zimmermann, jeweils a. a. O.). Entgegen der Auffassung des AmtsG Stuttgart-Bad Cannstatt (a. a. O.) handelt es sich beim Anbringen des Senders, dem Auslösen des Signals und der Rückführung des Betr. auch nicht um einen einheitlichen, nicht aufspaltbaren Vorgang. Hierbei bleibt nämlich unberücksichtigt, dass dem Auslösen des Signals i. d. R. kein zwangsweises Zurückbringen folgt, umgekehrt ein Zurückbringen auch ohne Auslösen des Signals möglich ist (Feuerbach, a. a. O.).

Im Übrigen besteht kein erkennbarer Unterschied dazu, ob ein Signal von einem Bewegungsmelder oder einer Lichtschranke ausgelöst würde (so auch OLG Brandenburg, a. a. O.) oder – was nach ganz überwiegender Meinung ebenfalls nicht genehmigungsbedürftig wäre – einer Videoüberwachungsanlage (s. etwa Palandt/Diederichsen, a. a. O.).

Erst recht verstößt das Anbringen eines Senders nach nahezu einhelliger Auffassung nicht gegen Art. 1 I GG.

Soweit das AmtsG Hannover (a. a. O.) der Auffassung ist, der Betr. würde bereits durch das Tragen der Sendeanlage stigmatisiert, kann dem zwanglos dadurch begegnet werden, dass der Sender für Dritte nicht sichtbar angebracht wird. Auch stellt das Anbringen eines Senders keine Abkehr von einer notwendigen menschlichen Betreuung desorientierter Bewohner hin zu einer technisierten Aufsicht dar, die den Bedürfnissen psychisch Kranker nicht gerecht wird und daher im Widerspruch zu der im Interesse der Menschenwürde notwendigen Betreuungsform steht. Diese zu Recht vereinzelt gebliebene Auffassung des AmtsG Hannover, die gänzlich außer Acht lässt, dass die Beaufsichtigung sich nicht auf den Einsatz der Anlage beschränkt, hat bereits das AmtsG Bielefeld als realitätsferne Betrachtung abgelehnt (so auch Feuerbach, a. a. O.).

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